Melampus

[326] Melampus (Gr. M.), Sohn des Amythaon und der Idomene, Tochter des Pheres, welche zwei Söhne gebar, Bias und M. Letzterer lebte auf dem Lande; vor seiner Wohnung stand ein alter Eichbaum, in dem ein Schlangennest war. Während nun Diener die alten Schlangen tödteten, sammelte er Holz und verbrannte diese, die Jungen aber zog er auf. Als diese herangewachsen waren, umstanden sie einst, während er schlief, aufgerichtet seine Schultern von beiden Seiten, und reinigten seine Gehörorgane mit ihren Zungen; als er erschrocken sich aufrichtete, bemerkte er, dass er die Sprache der Vögel verstehe. Von ihnen unterrichtet, sagte er den Menschen zukünftige Dinge voraus, lernte auch noch die Kunst, aus Opfern zu weissagen, und hielt endlich am Flusse Alpheus eine Unterredung mit Apollo, wodurch er der ausgezeichnetste Wahrsager wurde. - Ein auffallendes Beispiel hievon kommt in der Geschichte seines Bruders Bias vor. Dieser warb um Pero, des Neleus Tochter, welcher sie demjenigen unter ihren vielen Freiern versprach, der ihm die Rinderheerden des Iphiclus bringen würde, um welche sich nun Bias vergeblich bemühete, bis er seinen Bruder M. um Hülfe bat. Dieser wollte sie holen, sagte aber voraus, dass er gefangen, jedoch nach einem Jahre befreit werden und in Besitz der Heerden kommen würde. Es geschah so: nach dem Ende des Jahres hörte er die Holzwürmer im Gebälk nagen, und da er von diesen erfuhr, dass der grösste Theil des Holzes schon durch gefressen sei, verlangte er sogleich in ein anderes Gefängniss gebracht zu werden, und kaum hatte er das erste verlassen, als dasselbe auch schon zusammenstürzte. Phylacus, der Vater des Iphiclus, Beherrscher von Phylace, war verwundert über des Mannes Wahrsagerkunst, liess ihn vor sich kommen und fragte ihn über die Ursache der Kinderlosigkeit seines Sohnes. M. versprach darüber Auskunft unter der Bedingung, dass man ihm die Rinderheerden zum Lohn gebe, welches eingegangen ward. Darauf opferte er den Göttern zwei Stiere, und warf die Stücke davon umher, den weissagenden Vögeln rufend. Ein Geier kam herbei, und von diesem erfuhr M., dass Phylacus einst auf dem Felde einen Widder zum Opfer geschlachtet und das blutige Messer neben Iphiclus hingelegt habe, welcher voll Furcht entflohen sei. Phylacus habe nun das Messer in eine heilige Eiche hineingestossen (oder, nach Anderen, damit nach dem Knaben geworfen, ihn gefährlich verwundet, und das Messer, das in einen Baum gefahren, darin stecken lassen), dort sei es bereits ganz von der Rinde überwachsen. Wenn diess Messer wieder gefunden werde - sagte der Vogel - solle man den Rost davon abschaben, Iphiclus solle diesen, mit Wasser vermengt, zehn Tage lange trinken, dann werde er geheilt sein. Der Baum und das Messer wurden gefunden, Iphiclus nahm die Arznei, und bald fühlte seine Gattin sich in Hoffnung (ihr Sohn ward Podarces geheissen). M. erhielt die Heerden, und sein Bruder, durch Lösung der gestellten Aufgabe, die schöne Pero. Später heilte er auch die wahnsinnigen Prötiden, was ihm den dritten Theil von Prötus' Königreich eintrug, worauf er mit einer von Jenen, mit Iphianassa, sich vermählte. Mantius und Antiphates waren seine Söhne.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 326.
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