Abschied, der

[91] Der Abschied, des -es, plur. die -e, von dem Zeitworte abscheiden. Es führet überhaupt den Begriff der Absonderung und Abtheilung bey sich, wird aber nur in den figürlichen Bedeutungen des Verbi gebraucht. Es bezeichnet,

1) Nach der Maßgebung des Activi abscheiden. (a) Die Entlassung eines andern aus seinen Diensten; ohne Plural. Einem seinen Abschied geben, auch ihn verabschieden, so wohl in gutem als bösem Verstande; ersteres nur im gemeinen Leben, und wenn man ohne Achtung spricht. Einem Bedienten, einem Soldaten einem Gesellen seinen Abschied geben. Den Abschied verlangen, fordern. Seinen Abschied nehmen, einen Dienst verlassen. Hiermit hast du deinen Abschied. Ingleichen das schriftliche Zeugniß, das man einem solchen bey seiner Entlassung gibt. Figürlich sagt man: den Sünden, den Lastern Abschied geben, sie verlassen, sie ablegen. Der Welt abschied geben, so wohl sich der Verbindung mit der Welt und allen irdischen Dingen entziehen, als auch sterben. (b) Was bey dem Schlusse einer gerichtlichen oder andern feyerlichen Versammlung beschlossen und ausgesprochen wird. So bedeutet Abschied in den Rechten die gerichtliche Entscheidung einer Sache, und die Schrift, welche solche enthält. So auch ein Landtagsabschied, ein Reichstagsabschied, oder Reichsabschied, ein Schluß, der bey dem Abschiede der Reichs- oder Landstände bekannt gemacht wird. (c) In einigen Niedersächsischen Gegenden, die Entlassung eines abgelebten Leibeigenen von dem Gute, da man ihn in einem Häuschen zur Ruhe setzet, die Abnahme. Der ihm zu seinem Unterhalte ausgesetzte Theil wird alsdann das Altentheil genannt.

2) Von dem Neutro, die Abreise von einem Orte, oder die Entfernung aus einer Gesellschaft, ohne Plural. Noch mehr aber die feyerlichen Umstände, welche die Höflichkeit in solchen Fällen eingeführet hat. Abschied von jemanden nehmen. Hinter der Thür Abschied nehmen, ohne Abschied zu nehmen fortgehen oder fortreisen. Der Abschied aus diesem Leben, der tödtliche Hintritt. Daher die Abschieds-Audienz eines Gesandten oder anderer vornehmen Personen; der Abschiedsbrief, der Abschiedsbesuch, das Abschieds-Compliment, die Abschiedsrede das Abschiedsgedicht, der Abschiedsschmaus u.s.f.

Anm. Würde der Unterschied in der Conjugation zwischen dem Activo Scheiden und dem Neutro Scheiden beobachtet, so müßte auch dieses Hauptwort, so fern es von dem Imperfecto des Activi gebildet ist, Abscheid geschrieben und gesprochen werden, so wie man Halbscheid, und zuweilen auch Unterscheid findet. Einige Mundarten sagen auch wirklich Abscheid. Allein im Hochdeutschen ist Abschied allgemein. Der Plural, die Abschiede, kann nur von schriftlichen Zeugnissen der Entlassung, ingleichen von gerichtlichen Abschieden und den Abschieden der Land- und Reichstage gebraucht werden. Abschied ist in dieser Bedeutung vermuthlich nach dem mittlern Lateinischen Recessus gebildet worden, und beziehet sich zunächst auf das Auseinandergehen einer Versammlung. Von Reichsabschieden kommt dieses Wort zuerst unter dem Kaiser Friedrich dem Vierten vor. Die Rechtslehrer sind[91] nicht einig, wie Abschied, Bescheid, und Urtheil von einander unterschieden sind. So viel ist gewiß, daß unter diesen drey Wörtern oft gar kein Unterschied beobachtet wird, zumahl da die Gewohnheit jedes Ortes bald dieses bald jenes von den gedachten drey Wörtern angenommen hat. Siehet man auf die Abstammung, so wird man denen beypflichten müssen, die eine sogenannte Sententiam interlocutoriam, oder den Ausspruch eines Richters über einen Nebenpunct, ingleichen den Ausspruch des Richters auf einseitiges Ansuchen einer Partey einen Bescheid, das Endurtheil aber, wodurch die Hauptsache entschieden wird, einen Abschied nennen, obgleich in den meisten Gerichten dafür das Wort Urtheil üblich ist. In den Graubünden wird auch der schriftliche Vortrag einer wichtigen Sache, welche an die ganze Versammlung gebracht wird, ein Abschied genannt. Das Abschied ehedem auch einen bestimmten Theil von Gütern oder Einkünften, womit jemand abgeschieden wurde, bedeutet habe, erhellet aus dem Haltaus h. v.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 91-92.
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