Marschall, der

[84] Der Marschall, des -es, plur. die Marschälle, ein sehr altes Wort, welches im Salischen Gesetze zuerst vorkommt, wo es einen geringern Stallbedienten bedeutet, welcher über zwölf Pferde gesetzet, und dem nachmahligen Comes Stabuli untergeordnet war. Da der Hof- und Kriegsstaat der damahligen Zeiten größten Theils in Pferden bestand, so ward dieses Wort nach und nach zu Bezeichnung eines Stallmeisters und noch höherer Würden gebraucht, welche sich doch insgesammt auf die Aufsicht über die zum Kriegs- und Hofstaate gehörigen Pferde und ihrer Reiter, auf die bequeme Unterbringung derselben, und auf die Beobachtung der Ordnung bey feyerlichen Gelegenheiten erstreckten. Daher ist es dem gekommen, daß dieses Wort heut zu Tage in folgenden Bedeutungen gebraucht wird. 1) Des Reichs Erz-Marschall ist ein vornehmer Erzbeamter des Reiches, welcher seinem Ursprunge nach der Comes Stabuli der Fränkischen Könige ist, aber bey Reichstagen und außerordentlichen Feyerlichkeiten zugleich die Unterbringung der dazu gehörigen Personen besorget, und Ordnung und gute Polizey unter ihnen zu erhalten sucht. Er lässet sein Amt in vielen Fällen durch den Erb-Marschall verwalten, welcher wiederum den Unter-Marschall oder Reichs-Quartiermeister unter sich hat. 2) Der Feld-Marschall, Franz. Marechal de Camp, ist eine der vornehmsten Kriegswürden, welchem die Anordnung und Sicherheit des Lagers und die Aufsicht über den Marsch der Truppen oblieget, S. dieses Wort. Im Schwedischen ehedem Marsh. 3) An den Höfen ist der Hof-Marschall einer der vornehmsten Hofbedienten, von welchem die ganze innere Haushaltung des Hofes und die Aufsicht über die Hofbedienten abhänget. An großen Höfen gibt es einen Ober- und Unter-Hof-Marschall. 4) Auf Reichs- und Landtagen ist der Reichs-Marschall, Land-Marschall, Erb-Marschall u.s.f. der vornehmste unter den Reichs- oder Landständen, welcher die äußere Ordnung aufrecht hält, den Vortrag thut u.s.f. Auch außer den Reichs- und Landtagen hat die Ritterschaft in manchen Provinzen ihren Marschall, welcher die äußere Ordnung unter ihnen besorget. 5) Bey öffentlichen Feyerlichkeiten, sie fallen nun am Hofe oder unter Privat-Personen vor, werden oft gewisse Personen so lange die Feyerlichkeit dauert zu Marschällen erwählet, welche den ganzen Zug, oder[84] auch besondere Abtheilungen desselben anführen, und überhaupt für die äußere Ordnung und Beobachtung des Wohlstandes sorgen. Zum Zeichen ihrer Würde führen sie oft einen Stab, welcher der Marschalls-Stab genannt wird, in der Hand.

Anm. In dem Salischen Gesetze Marescaleus, im Franz. Marechal. Es ist von Mähre, ein Pferd, besonders ein Pferd edler Art, und dem alten Schalk, ein Knecht, Bedienter, zusammen gesetzt. Es bedeutet also eigentlich einen Stallbedienten, und diese Bedeutung hat das Franz. Marechal, so fern es auch einen Fahn- oder Curschmid bedeutet, noch jetzt. Da dieses Wort nachmahls von den vornehmsten Bedienungen gebraucht worden, so hat vielen diese Ableitung zu niedrig geschienen, daher sie andere versucht haben, besonders von Mar, Maer, Lat. Major, einen Bedienten höherer Art zu bezeichnen. Allein zu geschweigen, daß man mehrere Beyspiele hat, daß die Nahmen der Würden und Bedienungen ähnlichen Veränderungen ausgesetzet gewesen, und noch jetzt deren manche in sehr verschiedenen Bedeutungen gebraucht werden, wovon die Wörter Hofmeister, Kanzler und andere nachgesehen werden können: so finden sich in andern Sprachen mehrere ähnliche von den Pferden und dem Stalle hergenommene Nahmen vornehmer Beamten, wohin das Lat. Comes Stanuli, Constabularius, Franz. Connetable, das Schwed. Stallare, und noch in einigen Niedersächsischen Gegenden übliche Staller, das alte Schwed. Haestaswen, von Haest, ein Pferd, und das Longobard. Marpahis, von Mar, Mähre, Pferd, und Pahis, Knecht, Bedienter, Griech. παις, u.a.m. sind, welche mit unserm Marschalle mehr oder weniger überein kommen, besonders was das Longobardische Wort betrifft, welches mit demselben einerley Würde bezeichnet. S. auch Marstall und 1. Mähre.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 84-85.
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