Das Zetergeschrei

[471] Das Zetergeschrei, oder Zettergeschrei, ist heut zu Tage eine Cerimonie, die häufig bei der Haltung des hochnothpeinlichen Halsgerichts (d. h. der kurzen feierlichen und öffentlichen Wiederhohlung des ganzen wider einen Verbrecher angestellten Prozesses am Tage der Hinrichtung) beobachtet wird. Das Wort Zetter soll von citiren, oder vor Gericht vorladen, herkommen, wird aber richtiger für einen Ausruf erklärt, der so viel als Waffen bedeutet, und anzeigt, daß der Angeschuldigte den Todt verdiene. Wenn nehmlich die alten Deutschen, besonders im Mittelalter, jemanden bei der Verübung eines die Todtesstrafe nach sich ziehenden Verbrechens, oder auf der Flucht antrafen, so schrieen sie Zeter, um dadurch, daß der Thäter sterben müsse, anzuzeigen, und Andere zur Hülfe und Verhaftung herbei zu rufen; auch wurde die Anklage eines solchen Verbrechens unter dreimahliger Ausrufung dieses Wortes von dem peinlichen Ankläger vor den Richter gebracht, hierauf aber der Angeklagte vorgeführt, verhört, und nach dem Geständniß, oder der Ueberführung noch an dem nehmlichen Tage, oder wenigstens so schnell als möglich zum Todte verurtheilt, und das Urtheil nach Brechung des Stabs sogleich vollstreckt. Dieses ganze Verfahren, welches unter vielen Feierlichkeiten geführt wurde, hieß das hochnothpeinliche Halsgericht (auch schlechthin das Halsgericht), und wird noch jetzt bei jeder Todtesstrafe allgemein beibehalten. Der Anfang dieses Gerichts geschieht auch noch jetzt, nachdem der Richter und dessen Beisitzer oder Schöppen erschienen sind, an den meisten Orten mit dem Zetergeschrei, welches entweder von dem peinlichen Ankläger (einem obrigkeitlichen Diener, der diese Rolle übernimmt), oder von einem besonders dazu bestellten Gerichtsdiener, welcher [471] Zeterschreier oder Blutschreier genennt wird, oder bisweilen auch von dem Nachrichter drei Mahl ausgerufen zu werden pflegt.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 6. Amsterdam 1809, S. 471-472.
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