Der Meerschaum

[108] Der Meerschaum, diejenige gelbliche, mäßig harte und seifenartig anzufühlende erdige Substanz, woraus die beliebten Tobaks-Pfeifenköpfe bestehen. Wiegleb hat denselben chemisch untersucht und gefunden, daß derselbe aus Kieselerde und Bittersalz-Erde zusammengesetzt sei, und folglich nicht unter die Thonarten gehöre. Der Name Meerschaum rührt von seiner schwammichten Consistenz her, welche auf die Vermuthung führte, daß es ein erhärteter Schaum des Meerwassers wäre. Der Ort, wo dieses Mineral gefunden wird, ist lange unbekannt geblieben; endlich hat Beckmann herausgebracht, daß wenigstens die meisten Köpfe aus demjenigen Mineral bereitet werden, daß in Griechenland nahe bei Stives oder Thiva, dem ebemahligen Theben, auf dem Wege nach Negropont zu, gegraben wird. Niebuhrs Berichten zu Folge bricht der Meerschaum auch in Kleinasien in Natolien, nicht weit von der Stadt Konie, in einer grauschieferigen sechs Schuh mächtigen Kalkkluft in nicht starken Adern. Frisch gegraben ist er weiß, zähe, fast wie Wachs, und erhärtet leicht an der Luft, ist übrigens selten ganz rein Der echte Meerschaum scheint übrigens auch im nördlichen Amerika, besonders in der Gegend von Quebec, vorzukommen. Die Pfeifenköpfe [108] werden nicht nach Art der Töpfer-Arbeit gebrannt, sondern man läßt die zähe Masse an der Luft trocknen; und alsdann erst bohrt und schneidet man sie. Es werden jedoch auch Pfeifenköpfe dadurch erhalten, daß man die noch weiche Erde in Formen preßt, die Löcher hinein bohrt und an der Sonne trocknen läßt. Nach einigen Tagen, wenn die Oberfläche derselben mit einer verhärteten gelblichen Haut umzogen ist, werden sie in einen ausgewärmten Backofen gebracht, wo sie bis zum völligen Erkalten liegen bleiben. Die Köpfe werden hierauf in Milch gekocht, dann mit Schachtelhalm abgerieben und zuletzt mit weichem Leder polirt; bisweilen werden nunmehr auch noch andere Künsteleien mit Braunfärben der Köpfe vorgenommen. Da die Türken diese Art Pfeifenköpfe nicht sehr schätzen, sondern denselben die kleinen gebrannten thönernen Köpfe vorziehen, so werden dieselben größtentheils in die christlichen Länder versendet. Im Jahre 1796 wurden bloß über Semlin 83,413 Zentner solcher Pfeifenköpfe eingeführt. Die Haupt-Niederlage der zur See eingeführten Pfeifenköpfe ist zu Triest. Die Pfeifenköpfe kommen jedoch nicht alle ausgearbeitet, sondern großen Theils auch roh geformt zu uns, welche letztern in den Fabriken zu Lemgo, Nürnberg, Schmalkalden und Ruhl (einem Flecken in Thüringen) erst gebohrt und bearbeitet werden. Seitdem man an dem letzten Orte die Kunst erfunden hat, aus dem Abgange und den untaulichen Pfeifenköpfen neue (so genannte unechte) zu verfertigen, kommt auch roher Meerschaum in großen Fässern als Ballast nach Deutschland. Doch ist man wenigstens zur Zeit noch nicht im Stande, diesen unechten Köpfen die Festigkeit der echten zu geben. Von der Echtheit oder Unechtheit eines meerschaumenen Pfeifenkopfs kann man sich am sichersten überzeugen, wenn man denselben mit einem Stück Silbermünze streicht: bekommt er davon bleistiftähnliche Streifen, so ist dieß das sicherste Zeichen, das er nachgemacht ist; nimmt er aber keine Streifen an, so ist die Masse echt. Herr Kiesewald hat im Journal für Fabrik, Manufactur, Handlung und Mode (1797 Jun.) eine sehr lehrreiche Abhandlung über den Meerschaum geliefert.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 108-109.
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