Die Bauart

[132] Die Bauart, der eigethümliche Geschmack in der Anordnung und Verzierung der äußern und innern Theile der Gebäude. Dieser Geschmack wird bei verschiedenen Nationen sehr verschieden angetroffen. Die Egyptische Bauart zeigt eine außerordentliche Festigkeit und Stärke, welche jedoch in Rohheit ausartet. Die Griechische ist voll Schönheit und Geschmack und vorzüglich voll Regelmäßigkeit; sie hat drei Hauptzweige, die Dorische Bauart (welche sich vorzüglich durch edle Einfalt u. erhabene Größe), die Jonische (welche sich durch ein gefälligeres Ansehen) und die Korinthische, (die sich durch alle mit der Haupteigenschaft der Griechischen Gebäude verträgliche Pracht auszeichnet). Die Römische Bauart, eine Schülerin der Griechischen, wich von dieser oft durch zu große Pracht ab. Neben der Gothischen Bauart herrschte die Arabische, welche nach der Griechischen, und die Maurische, welche nach den Ueberresten Römischer Gebäude in Spanien gebildet war. Was die letztere betrifft, so kann der Kenner bei allen ihren Fehlern dennoch die Ueberbleibsel der Maurischen Gebäude zu Granada, Sevilla und Cordova nicht ohne Bewunderung betrachten. Die Arabische zeichnet sich vorzüglich durch Galanterie und Pracht aus. Die Gothische (es ist nehmlich von der Neugothischen die Rede, welche nach der Zerstörung des Gothischen Reichs durch die Araber und Mauren üblich wurde; die Altgothische Bauart, welche wahrscheinlich unter dem Theoderich, König der Ostgothen, entstand, unter dessen Regierung in Italien die Römer, ohne Gefühl fürs Schöne, die Altrömische Bauart nachahmten, ist ganz plump und schwerfällig) zeigt Größe, aber alles ist mit kleinlichen Zügen überhäuft; sie ist prächtig und reich, aber ohne Ordnung und Symmetrie, und gemeiniglich etwas abenteuerlich. Die Italiänische Bauart, welche nach den Römischen Mustern, vorzüglich nach den aus den spätern Zeiten, gebildet wurde, verbindet [132] Größe und Pracht mit Einfalt, nur daß sie zuweilen etwas Nachlässigkeit zeigt. Nach der Italiänischen ist die Englische Bauart gebildet worden, welche sich aber mehr der Griechischen Genauigkeit nähert. Die Französische ist leicht, flüchtig und gefällig. Die Bauart der Deutschen war anfangs Gothisch, und näherte sich der Altgothischen eben so sehr als der Neugothischen, welche letztere die Deutschen unstreitig aus Frankreich bekamen; s. Münster. In den neuern Zeiten nahm sie sich bald die Italiänische, bald die Französische zum Muster, je nachdem die Großen, welche bauen ließen, eine Vorliebe für die eine oder die andere dieser Nationen hatten. Die Baumeister, denen wir den Geschmack, der noch jetzt in der Baukunst herrscht, verdanken, sind die Italiäner Pasladio, Vincent, Scamozzi, Serlio, Jacob Barozzio (unter dem Namen Vignola bekannt); welchen Männern Philippo Bruneleschi, Leon Baptista Alberti, vorzüglich aber Bramante und Giocondo, zu Ende des 15. und zu Anfange des 16. Jahrhunderts die Bahn eröffnet hatten.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 1. Amsterdam 1809, S. 132-133.
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