Gothische Bauart

[475] Gothische Bauart. Man versteht unter dieser Benennung die Bauart, welche vom Verfall der griechischen Kunst bis zum Anfang des 16. Jahrh. den herrschenden Geschmack bildet. Der Name rührt von den Gothen her; unter einem Könige dieses Volkes, Theodorich, verpflanzte sich die byzantinische Kunst nach Italien. Diese altgothische Bauart trennte sich wieder in die byzantinisch-römische und in die maurische, nach der die Mauren in Spanien bauten. Daher nennt man den in Deutschland seit dem 13. Jahrhundert ausgebildeten Kunststil zum Unterschiede von jenen beiden den neugothischen. Er ist aber keineswegs von den Gothen ausgegangen, sondern hat sich, von dem byzantinischen wesentlich abweichend, in Deutschland selbstständig entwickelt und allmälig fast über das ganze nördliche und westliche Europa verbreitet. Diese neugothische oder deutsche Bauart ist durch colossale Verhältnisse hervorstechend, Schiffe in Kreuzesform, sehr hohe und Kreuzgewölbe, Spitzbogen, ungewöhnlich schlanke Säulen, schmale, spitz zulaufende Fenster mit bunten Glasscheiben, reiche, überladene Verzierungen und Schnörkeleien; hohe, aus vielen Säulen pyramidalisch zusammengesetzte Thürme sind die charakteristischen Kennzeichen, dem Geiste ihrer Zeit, des romantischen Mittelalters, vollkommen angemessen. Der Münster in Straßburg, der Dom in Köln, die Stephanskirche in Wien, die Sebalduskirche in Nürnberg u. A. sind in diesem Kunststil gebaut, der erst gegen den Anfang des 16. Jahrhunderts durch die wieder hervorgesuchte antike Kunst verdrängt wurde. S. d. A. deutsche Kunst.[475]

4.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 4. [o.O.] 1835, S. 475-476.
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