Martin Gerbert

[94] Martin Gerbert, gefürsteter Abt des Benedictinerstifts und der Congregation St. Blasien auf dem Schwarzwalde, geborner Freiherr von und zu Hornau. Er war zu Horb am Neckar in Vorderöstreich 1720 geboren, und zeichnete sich eben so sehr durch seine Gelehrsamkeit als durch seinen offenen, edlen Charakter aus. In seinen theologischen Schriften, deren er sehr viele geschrieben hat, ist er zwar eifrig katholisch, verläugnet aber nie die Offenheit eines ehrlichen Mannes. Er hat viele gelehrte historische Schriften geschrieben, und sich vorzüglich um die Geschichte der Tonkunst viele Verdienste erworben. Auf seinen Reisen, die er von 1759 bis 1761 durch Frankreich, Italien und Deutschland machte, wußte er sich den Zugang zu den verborgensten Schätzen öffentlicher sowohl als der Klosterbibliotheken zu verschaffen, um hier die Materialien zu seiner Geschichte des Kirchengesanges aus den ersten Quellen zu schöpfen. Hier stiftete er auch insbesondere noch [94] genaue Freundschaft mit dem berühmten Pater Martini, welcher zu seiner Geschichte der Tonkunst überhaupt schon an die 17,000 Autoren gesammelt hatte. Zwar ward bei dem großen Brande zu St. Blasius 1768 ein Theil jener Materialien nebst der ganzen Abtei ein Raub der Flammen; aber dessen ungeachtet vollendete er nach sechs Jahren jenes sein Werk, wodurch er sich, so wie auch nachher durch die Ausgabe von mehr als vierzig alten musikalischen Handschriften (vom vierten bis zum funfzehnten Jahrhunderte) um die Tonkunst außerordentlich verdient gemacht hat. Er starb unter dem Namen Martin II. im drei und siebzigsten Lebensjahre, am 14. Jun. 1793, in der durch seine Grundsätze eben so sehr als durch sein Alter bewirkten Ueberzeugung, daß die in unsern Zeiten so hoch gepriesene Denk- und Schreibfreiheit ein gewisser Vorbote des Antichrists sei.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 2. Amsterdam 1809, S. 94-95.
Lizenz:
Faksimiles:
94 | 95
Kategorien: