Paul Scarron

[68] Paul Scarron, ein berühmter Französischer Dichter und Satiriker (geb. zu Paris 1610), war außer Rabelais (s. diesen Art.) der vorzüglichste Französische Schriftsteller der so genannten burlesken Schreibart, welche in seinem Zeitalter in Frankreich die herrschende war. Er hatte sich anfangs dem geistlichen Stande gewidmet, auch ein Canonicat an der Hauptkirche zu Mans erhalten; allein gichtische Zufälle – wie man sagt, Folgen seiner Ausschweifungen – die ihn schon in seinem 27sten Jahre überfielen und von denen er nie wieder frei ward, bewogen ihn, jene Stelle auszugeben. Er wählte seine Vaterstadt Paris zu seinem [68] Aufenthalte; und durch seinen Witz und angenehme Laune ward sein Haus der Sammelplatz der vornehmsten Personen und der besten Köpfe dieser Hauptstadt. Denn mitten unter den größten körperlichen Schmerzen blieb er stets froh und heiter, scherzte über sein Schicksal und brachte auf diese Art das in Ausübung, was unter den alten Philosophen die Stoiker und in unsern Zeiten Kant über die Bekämpfung der körperlichen Leiden lehrten. Indeß trug, außer dem Beifalle, den seine Schriften erhielten, unstreitig diese seine beständige Kränklichkeit viel dazu bei, daß er nicht allein vom Cardinal Richelieu sondern auch von der Mutter Ludwigs XIV. eine jährliche Pension erhielt. Auf diese letztere und auf das Wohlwollen, das ihm diese Fürstin schenkte, bezieht sich die gewöhnliche Unterschrift seiner Briefe: Scarron, der Kranke der Königin. Auch der Ertrag seiner Schriften, die Toussaint Quinet druckte, konnte nicht unbedeutend sein, indem er ihn mit einem Marquisat verglich; denn als ihm 1652 Francisca dʼAubigne, die nach mahls als geheime Gemahlin Ludwigs XIV. berühmte Maintenon, ihre Hand gab, erklärte er, sie würden, ungeachtet sie nicht reich wären, von dem Marquisat Quinet ganz bequem mit einander leben.

Seine mehrmahls gedruckten und zum Theil übersetzten Schriften bestehen vorzüglich in mehreren Lustspielen, dem travestirten Virgil oder der Aeneide und dem komischen Roman. Wenn auch die erstern, weil in ihnen der Harlekin eine starke Rolle spielt, heut zu Tage nicht geschätzt werden, so enthalten sie doch unstreitig viel Witz. Seine Aeneide, in der er Virgil selbst, z. B. in Ansehung der Weitläuftigkeit seiner Erzählung, lächerlich macht, wird zwar jetzt über der Blumauerschen vergessen, und war es wohl schon lange vor dieser; allein sie erhielt bei ihrem Erscheinen zwar nicht allgemeinen Beifall, indem sie besonders Virgils Verehrer sehr übel aufnahmen, wurde aber als ein witziges Product anerkannt und selbst von Männern wie Racine zur Erholung gelesen. Am meisten hat Scarron sein Andenken durch seinen komischen Roman erhalten, der nicht nur mehrere Mahle ins Deutsche sondern auch neuerlich (1787) ins Schwedische übersetzt worden ist. – [69] Er starb 1660 unter mehrern Scherzen, mit denen er die umstehenden Trauernden zu trösten suchte.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 5. Amsterdam 1809, S. 68-70.
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