Ismaeliten

[465] Ismaeliten (die) sind eine ketzerische Sekte der Mohammedaner, welche im 11. Jahrh. in Ägypten entstand, nachmals einen eignen kleinen Staat bildete und besonders unter dem Namen Assassinen berüchtigt wurde. Der Khalif Ali war 660 ermordet und seine Nachkommen waren von der Herrschaft verdrängt worden; daher kam es, daß sich wiederholt Parteien bildeten, welche das Recht dieser Familie, die zunächst von Ali's Enkel, Ismael, abstammte, vertheidigte. In Ägypten herrschten die Fatimiten, welche sich für Nachkommen des Ismael ausgaben. Hier war es, wo eine geheime Gesellschaft, »das Haus der Weisheit« genannt, für das Recht der Nachkommen Ismael's und zu einer ketzerischen Auslegung des mohammed. Glaubens zusammentrat und ihren Ansichten durch heimliche Abgesandte unter allen Bekennern des Islam Anhang zu verschaffen suchte. Hassan ben Sabbach el Homairi, ein Perser, war in Ägypten für die Ansichten des Hauses der Weisheit gewonnen worden und gründete, um zugleich seine eigennützigen Absichten zu verfolgen, eine eigne Sekte, die der Ismaeliten, bemächtigte sich 1105 des festen Schlosses Alamût in Persien und bald noch mehrer naheliegender Schlösser. Später breitete die Sekte ihre Macht auch in Syrien aus und kam mit den Kreuzfahrern vielfach in Berührung. Sie machte sich durch das wüthende Verfolgungssystem berüchtigt und furchtbar, mit welchem sie gegen ihre Feinde verfuhr. Um in offenem Kampfe aufzutreten, fehlte es ihr an Macht, daher nahm sie zum Morde, geheimem und öffentlichem, ihre Zuflucht. Es wurden nämlich Mörder förmlich erzogen und abgerichtet, welche, um das ihnen bezeichnete Opfer zu erreichen, keine sie selbst bedrohende Gefahr scheuten. Sie hießen Fedâis, d.h. sich Opfernde, standen unter dem Befehle des Beherrschers der Sekte im Schlosse Alamût, welcher der Alte vom Berge genannt wurde, und berauschten sich, um sich zu ihrem schrecklichen Geschäfte zu ermuthigen, mit einem aus Bilsenkraut bereiteten Getränk. Von dem Namen des Bilsenkrauts wurde die ganze Sekte Haschischi genannt, woraus die Abendländer Assassinen machten. In vielen abendländischen Sprachen hat sich das Wort unter der Bedeutung »Mörder« erhalten. Nachdem Hassan 1140 gestorben war, bestand die Sekte noch längere Zeit unter Hassan's Nachfolgern, bis endlich die Mongolen 1276 ihrer Herrschaft ein Ende machten, die Schlösser der Ismaeliten eroberten und zerstörten und ihren letzten Befehlshaber umbringen ließen. In Syrien behaupteten sich jedoch die Ismaeliten bis gegen 1292, wo sie von dem ägypt. Sultan bewältigt wurden. Nachkommen der Ismaeliten gibt es jedoch noch bis gegenwärtig in Persien und Syrien, wo sie jedoch nur eine religiöse Sekte bilden. Sie leben in dem Dorfe Chech in der pers. Landschaft Kum und stehen unter einem Vorsteher oder Imam. Auch in der Gegend von Alamût leben noch Ismaeliten, welche gewöhnlich Hosseinis genannt werden. In Syrien leben Ismaeliten in der Nähe des Schlosses Massiat. Dieses wurde ihnen zwar 1809 durch eine andere, benachbarte Partei entrissen, doch auf Befehl des türk. Sultans ihnen bald wieder zurückgegeben.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 465.
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