Kastanien

Kastanien

[575] Kastanien heißen die Früchte des edlen Kastanienbaums (castanea vesca), welcher aus Griechenland stammen soll und gegenwärtig im ganzen südl. Europa, sowie in einigen Gegenden Deutschlands gefunden wird.

Durch Pfropfen erhält man Bäume, welche größere Früchte tragen, die Maronen genannt werden. Dem äußern Ansehen nach gleicht der edle Kastanienbaum einer Buche. Seine eßbaren Früchte liegen paarweise, zuweilen auch zu sechs bis acht, in einer grünen stacheligen Schale beisammen, die im Herbste nach erlangter Reise aufspringt und die Früchte, welche noch mit einer glatten braunen Schale überzogen sind, herausfallen läßt. Noch ehe aber die Reise so weit gediehen ist, pflegt man die Kastanien einzusammeln. Man schlägt sie ab, bewahrt sie dann einige Zeit auf und drischt sie nach erlangter völliger Reise mit Stöcken, wodurch sich die Früchte von den Schalen trennen. Besonders in den südl. Gegenden Europas bilden die Kastanien ein wichtiges Nahrungsmittel, indem sie theils roh, theils auf mancherlei Weise zubereitet genossen werden. Auch zur Viehmast braucht man sie mit ausgezeichnetem Erfolge. Außer den Früchten benutzt man von dem Kastanienbaume auch das Holz, welches sich durch Festigkeit auszeichnet, besonders zu Weinfässern, die Rinde in der Färberei und als Gerbematerial, die jungen Zweige in Südfrankreich zu Reisen um Weinfässer. – Zu einer der interessantesten Naturmerkwürdigkeiten gehört der unten abgebildete Riesenkastanienbaum auf dem Ätna, welcher jedenfalls [575] ein ungeheures Alter haben muß, wenn er auch nicht, wie die Sicilier versichern, der älteste Baum der Erde sein sollte. Die Gestalt, in welcher ihn die Abbildung zeigt, hatte der Baum schon im J. 1784. Er ist gespalten, inwendig hohl und faulig und scheint aus fünf großen und zwei kleinen Bäumen zusammengesetzt zu sein die jedoch eine gemeinsame Wurzel haben und erst durch spätere Spaltungen entstanden sein mögen. Über dem Boden ist der Umfang des ganzen Baumes 163 F. Eine Straße von zwei Wagenbreiten führt durch ihn hindurch, und außerdem steht in seiner Höhlung noch eine Hütte. Er pflegt der Baum der hundert Reiter genannt zu werden, weil die Königin Johanna von Aragonien mit so viel Reitern bei einem Unwetter unter seinen Zweigen Schutz gefunden haben soll. – Gar nicht verwandt mit dem edlen Kastanienbaume ist die Roßkastanie, welche 1550 durch Clusius aus Nordasien nach Europa gebracht worden sein soll. Dieselbe ist sehr bekannt, indem man sie wegen ihres schönen Laubes und ihrer schönen Blüten sehr häufig, besonders in Alleen, anpflanzt. Die Frucht, welche eine entfernte Ähnlichkeit mit der echten Kastanie hat, ist für Menschen nicht genießbar, gibt aber für Schafe eine gesunde Nahrung ab.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 575-576.
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