Miguel

Miguel

[136] Miguel (Marie Evarist, Dom), Usurpator von Portugal, dritter Sohn König Johann VI., geb. 1802 zu Lissabon, kam 1808 mit der vor den Franzosen fliehenden königl. Familie nach Brasilien und kehrte 1821 mit ihr nach Portugal zurück, wo seine herrschsüchtige Mutter, die span. Infantin Charlotte Joachime, diesen ihren geistig verwahrlosten Liebling zum Haupt der 1823 die Constitution von 1820 umstürzenden Partei machte.

Um sich ganz der Gewalt zu bemächtigen, wurde nach Ermordung des Marquis von Loulé, des treuesten Raths Johann VI., und nach Verhaftung der Minister, der König am 30. Apr. auf seinen Palast beschränkt, aus dem er jedoch auf ein engl. Kriegsschiff entkam. M. [136] sah sich nun zur Unterwerfung genöthigt, wurde verbannt und ging über Paris nach Wien, wo er sich ganz seinen zügellosen Neigungen hingab, nach seines Vaters 1826 erfolgtem Tode aber die vom damaligen Kaiser von Brasilien, Dom Pedro I., dem ältern Bruder M.'s, getroffenen Bestimmungen wegen der Thronfolge annahm und sich demzufolge mit dessen ältester Tochter, Maria da Gloria (s.d.), verlobte, an welche Jener die portug. Krone abgetreten hatte, die Constitution beschwor und nun am 3. Jul. 1827 zum Regenten während der Minderjährigkeit der Königin ernannt wurde. Kaum war aber M. im Febr. 1828 in Lissabon angelangt, als er die beschworene Constitution umstieß, die alten Cortes nach drei Ständen versammelte und mit Hülfe der Partei seiner Mutter sich zum König ernennen und am 30. Jun. huldigen ließ. Obgleich jetzt mit tyrannischer Willkür verfahren und jede freisinnige Regung unterdrückt wurde, M. selbst aber den frechsten Ausschweifungen und Roheiten sich hingab, unter denen selbst seine Schwestern zu leiden hatten, ward doch die Partei der Königin Maria da Gloria ganz vertrieben und auf Terceira (s. Azoren) beschränkt. Von da aus gelang es jedoch dem inzwischen von den Brasiliern abgesetzten Dom Pedro, im Jul. 1832 Porto und am 24. Jul. 1833 Lissabon für seine Tochter einzunehmen, deren Verlobung mit M. längst aufgehoben worden war und die nun als Königin im Sept. dort einzog und von England, Frankreich und der Königin-Regentin Christina von Spanien anerkannt wurde. Ein span. Truppencorps unter General Rodil half sodann die Besiegung M.'s vollenden, dem sich der span. Kronprätendent Don Carlos angeschlossen hatte, und M. mußte am 26. Mai 1834 zu Evora allen Ansprüchen auf den portug. Thron entsagen, nie auf die Halbinsel zurückzukehren versprechen und die Kronjuwelen herausgeben. Dafür ward ihm ein Jahrgeld von ungefähr 100,000 Thlr. und sein Privatvermögen zugesichert und er durfte sich auf einem engl. Kriegsschiffe nach Italien einschiffen. Dort angelangt, widerrief er jedoch die zu Evora eingegangenen Verpflichtungen, weshalb ihm das Jahrgeld entzogen und sein Vermögen mit Beschlag belegt wurde, und lebt seitdem meist in Rom, wo der päpstliche Stuhl ihn als König behandelt. (S. Portugal.)

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 136-137.
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