Vandalen

[552] Vandālen (die), eines von den Völkern, welche bei der sogenannten Völkerwanderung und dem Untergange des röm. Westreichs eine wichtige Rolle gespielt haben, über das wir aber bei den ältern röm. Schriftstellern nur sehr unbestimmte Nachrichten finden. Vermuthlich lagen seine frühesten Wohnsitze zwischen der Elbe und Weichsel, und wenn sie von Manchen für einen slaw. Volksstamm ausgegeben werden, wie denn ein solcher unter gleichem Namen und etwa 40,000 Köpfe stark, mit einer sehr alten slaw. Mundart im eisenburger Comitat in Ungarn noch wohnt, so berechtigen andere Schilderungen doch noch mehr, sie für ein Volk german. Abkunft zu halten. Mit den Römern kamen sie zuerst als Bundesgenossen anderer Völker in Berührung, und gegen Ende des 3. Jahrh. wanderte ein [552] großer Theil derselben in das heutige Ungarn und Siebenbürgen ein. Aus letzterm durch die Gothen verdrängt, fanden sie unter Kaiser Konstantin dem Großen vollständige Aufnahme in Pannonien (Ungarn), leisteten den Römern dafür Kriegsdienste, und Einzelne gelangten selbst zu den höchsten Würden, wie z.B. Stilicho, welcher Vormund des Kaisers Honorius, 395–423, und der Beschützer Italiens wider die Gothen war. (S. Römisches Reich.) Die Völkerwanderung nöthigte auch die Vandalen, im I. 406 mit den Alanen und Sueven gegen W. zu ziehen. Sie verheerten auf ihrem Wege die Städte Mainz, Worms und Strasburg, verweilten nur kurze Zeit in Gallien, überschritten 409 die Pyrenäen und stifteten im südl. und westl. Spanien ein Reich, wovon noch die Benennung Andalusien (Vandalaria) herrührt. Über die gleichzeitig in die pyrenäische Halbinsel eingewanderten Sueven und Alanen behaupteten sie das Übergewicht und diese mußten bei ihnen Schutz gegen die Westgothen suchen. Von diesen aber und den Römern, gegen welche sie zwar unter Genserich 428 einen großen Sieg erfochten, zu sehr beunruhigt und nach der Küste gedrängt, folgten sie 429 der Einladung des röm. Statthalters Bonifacius in der Provinz Afrika, der sie wider den Kaiser Valentinian III. zu Hülfe rief, mit dem er sich aber bald wieder versöhnte. Allein nun wurde er von den Vandalen besiegt und Karthago die neue Hauptstadt des von ihnen hier gestifteten Reichs, zu dem bald die ganze afrik. Nordküste von Tanger bis Tripoli gehörte. Ihre Flotten eroberten dazu die balearischen Inseln, Corsica, Sardinien, einen Theil von Sicilien und verbreiteten Schrecken im ganzen Mittelmeere. Genserich landete 455 in Italien und verheerte selbst das bald eingenommene Rom, welches zu keiner Gegenwehr gerüstet war. Vierzehn Tage lang ward die Stadt geplündert und mit Raub und Zerstörung gegen Das gewüthet, was die Scharen Ala rich's (s.d.) übrig gelassen hatten. Ganze Schiffsladungen Kunstwerke und Kostbarkeiten wurden nach Afrika abgeschickt und gingen zum Theil unterwegs verloren; die schonungslose Weise aber, mit welcher die Vandalen dabei verfuhren, veranlaßte den Ausdruck Vandalismus, mit dem noch jede ähnliche, der Bildung unserer Tage widersprechende, rohe Behandlung oder Zerstörung von Kunstwerken, merkwürdigen Gebäuden und ähnlichen Gegenständen bezeichnet wird. Unter Genserich's, gest. 477, Nachfolgern gerieth das Vandalenreich durch ungewohnten Luxus und innere Zerwürfnisse bald in Verfall, wozu auch Religionsverfolgungen beitrugen, indem die Vandalen seit Genserich von der rechtgläubigen christlichen Kirche zur arianischen Partei übergetreten waren und aufs Härteste wider anders Denkende verführen. Die Verdrängung des rechtmäßigen, aber milden Königs Hilderich durch seinen gewaltthätigen Verwandten Gelimer (530) ward endlich vom oström. Kaiser Justinian dem Großen benutzt, um unter dem Vorgeben, den Erstern zu rächen, 534 seinen berühmten Feldherrn Belisar (s.d.) mit einem Heere in Afrika landen zu lassen, wo derselbe durch zwei Siege das Gebiet der Vandalen wieder dem röm. Reiche unterwarf. Der gefangene König Gelimer mußte in Ketten des Siegers Triumphzug in Konstantinopel beiwohnen, die Vandalen aber wurden theils durch den Dienst im griech. Heere aus Afrika entfernt, theils verloren sie sich unter den dort einheimischen oder später über diese Gebiete sich verbreitenden Nationen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 552-553.
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