Wahabi

[637] Wahabi, Wahabiten oder Wechabiten heißen die Anhänger der Lehre des arab. Scheich (d.i. Gelehrten) Mohammed, Sohn von Abd-el-Wahab, aus dem Stamme der Tamini, welcher 1729 in Ajen geboren wurde, welche Stadt nahe an der Wüste in der Landschaft Al-Ared liegt. Auf Reisen und während seines Aufenthalts in mehren berühmten mohammedanischen Städten war er zu der Überzeugung gelangt, daß der Islam vornehmlich durch die Osmanen sehr entstellt und mit Fremdartigem vermischt worden sei, und trat in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts in Arabien als Reformator desselben auf. Nur den ursprünglichen Inhalt des Koran anerkennend, eiferte er gegen die eingerissene abgöttische Verehrung Mohammed's und der Heiligen, gegen die von den Türken ausgehende Weichlichkeit der Sitten, den Prunk in den Moscheen, verbot den Gebrauch des Rosenkranzes, den Kaffee und Taback und seidene Kleider. Die Herstellung der Reinheit des Glaubens und der Sitte, wie sie in der frühesten Zeit des Islam gewesen, erklärte er für sein Ziel, und seine Lehre war auch in der That so wenig neuerungssüchtig, daß ein 1815 zwischen zwei wahabit. Scheiks und dem ersten Ulema zu Kairo auf Befehl des Vicekönigs von Ägypten gehaltenes Religionsgespräch zu der Anerkennung führte, die Wechabiten lehrten den reinen Islam. Ein großes politisches Interesse gewann diese Sekte, indem sie sich über die Provinz Nadsched, d.h. das innere Hochland von Arabien, ausbreitete, sich die Beduinen in der großen Wüste zwischen dem rothen Meere und pers. Meerbusen unterwarf und mit andern Theilen von Arabien, 1802 und 1804 der heiligen Städte Mekka und Medina sich bemächtigte. Mit fanatischer Wuth und ihrem Losungsworte »Glaube oder Tod« getreu, mordeten, raubten und zerstörten sie in den eroberten Orten und selbst der Dom über Mohammed's Grabe zu Medina entging der Zertrümmerung blos durch seine außerordentliche Festigkeit. Die unzulänglichen Versuche der Pforte zu ihrer Unterwerfung blieben fruchtlos und Besorgniß vor den Wahabis setzte das ganze Morgenland in Unruhe, bis der mächtige Pascha Mohammed Ali von Ägypten, von der Pforte dazu aufgefodert, die Bekämpfung derselben unternahm. Nachdem ihnen seine Söhne Jussuf und nach dessen Tode Ibrahim Pascha seit 1811 mehre Niederlagen beigebracht und Mekka und Medina abgenommen hatten, eroberte der Letztere 1818 ihre Hauptstadt Drehyeh, welche zerstört wurde und wobei 20,000 Wahabis umgekommen sein sollen. Ihr gefangenes Oberhaupt wurde in Ketten nach Konstanstinopel geschickt und dort gefoltert und enthauptet, ohne daß darum die Wechabiten als vernichtet zu betrachten gewesen wären. Sie zogen sich viel mehr in die Wüsten zurück, unternahmen von dort aus bald wieder Raubzüge, bedrohten selbst 1822 Mekka und gaben den in Arabien befindlichen Truppen Mohammed Ali's von Ägypten fortwährend zu thun, daher sie, nachdem diese 1840 zurückgezogen worden, leicht wieder in Arabien zur Herrschaft gelangen können.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 637.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: