Zeno

[794] Zeno ist ein griech. Eigenname, welcher in der alten Geschichte durch mehre ausgezeichnete Männer berühmt geworden ist. Das geschah besonders auch durch die zwei Philosophen, Zeno von der Insel Cypern, den Stifter der stoischen Schule, welcher von 340–260 v. Chr. lebte, und von welchem früher im Art. Stoa (s.d.) geredet worden ist, und Zeno von Elea, einer Stadt am Flusse Helos auf der Westküste von Unteritalien, welcher um die Mitte des fünften Jahrh. v. Chr., und zwar zuerst für ein bestimmtes Honorar, öffentlich lehrte. Er gehörte zu der von Xenophanes aus Kolophon in Ionien im 6. Jahrh. v. Chr. zu Elea gestifteten, berühmten philosophischen Schule, welche vom Stiftungsorte die eleatische, ihre Anhänger aber Eleatiker genannt wurden. Mit einem derselben, seinem Lehrer und Freunde Parmenides, begab sich Z. um 460 v. Chr. nach Athen, wo er den damals noch jungen Socrates kennen lernte. Als später sich in seiner Vaterstadt Elea ein Tyrann oder Alleinherrscher aufgeworfen hatte, ließ Z. sich in eine Verschwörung zum Sturze desselben ein, wurde aber gefangen und soll, um an seinen Genossen nicht zum Verräther zu werden, sich die Zunge abgebissen und sie dem Tyrannen ins Gesicht gespien haben, dafür aber in einem Mörser zerstampft worden sein. Von seinen Schriften sind nur Bruchstücke vorhanden; sie waren in Prosa und nicht in Versen verfaßt, wie die der Eleatiker vor ihm, deren Lehre sich durch eine über die Erfahrung hinausgehende, nach Umfassung des Alls der Dinge in seiner Einheit strebende Speculation auszeichnete. Weil er im mündlichen und schriftlichen Vortrag die Gesprächform liebte und in den Regeln des Schließens und Disputirens vielleicht gründlicher als Andere bewandert war, wird er für den Erfinder der Dialektik gehalten. Dazu mag auch beigetragen haben, daß er zuerst manche verfängliche Schlußarten brauchte, die nicht durchschaut wurden. Berühmt sind seine künstlichen Schlüsse gegen die Denkbarkeit der räumlichen Bewegung, wozu auch der Achilles genannte gehört. Z. nahm nämlich an, daß Achilles einen Wettlauf mit einer Schildkröte halte, die etwas, viel oder wenig voraus habe, in welchem Falle Achilles die Schildkröte trotz aller vermeintlichen Schnelligkeit seiner und der Langsamkeit ihrer Bewegung nie einholen könne, weil er beständig erst dahin kommen könne, wo die Schildkröte schon gewesen wäre. Das anzunehmen sei aber ein Widerspruch, wenn man Bewegung von verschiedener Geschwindigkeit zulasse; deshalb sei der ganze Begriff von der Bewegung verwerflich. – Z. übersah dabei, daß aus der Annahme von Bewegung von verschiedener Geschwindigkeit auch folgt, daß dieselben Räume in verschiedener Zeit durchlaufen werden können.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 794.
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