Stoa

[303] Stoa ist ein griech. Wort, welches ursprünglich eine Säule, dann eine Säulenhalle bedeutet. Unter den Säulenhallen Athens ist am berühmtesten die Stoa Poikile mit den Gemälden des Polygnotus, in welcher der Philosoph Zeno lehrte. Nach derselben erhielt die Philosophie des Zeno den Namen der stoischen, des Stoicismus oder der Stoa, sowie er selbst und alle seine Anhänger Stoiker genannt wurden. Zeno, auf der Insel Cyprus um 340 v. Chr. geboren, war anfangs Kaufmann, verlor sein Vermögen in einem Schiffbruch und ergab sich darauf in Athen dem Studium der Wissenschaften. Nach 20 Jahren trat er selbst in der Stoa Poikile als Lehrer auf, erwarb sich durch Mäßigkeit und Tugend die Verehrung seiner Mitbürger und nahm sich endlich um 260 v. Chr. selbst das Leben. Unter seinen Nachfolgern zeichneten sich zunächst Kleanthes von Assos in Troas (um 265) aus, welcher, um den Tag der Wissenschaft widmen zu können, während der Nacht Wasser schleppte und sich, 81 Jahre alt, selbst tödtete, und Chrysippus aus Soli in Cilicien (geb. um 280, gest. um 210 v. Chr.), der viele Schriften hinterließ und der stoischen Lehre die größte Ausbildung gab. Die Stoiker nannten die Weisheit die Wissenschaft von göttlichen und menschlichen Dingen, hielten dieselbe aber für ein unerreichbares Ideal, nach welchem der Mensch nur streben könne und solle. Sie unterschieden Logik, Physik und Ethik. Der Zweck der Logik war ihnen, zu lehren, welches das Kriterium (Erkennungszeichen) der Wahrheit sei. Das, was durch die Sprache bezeichnet wird (der Gedanke, Begriff), ist wahr oder falsch, nicht aber das (körperliche) Wort und der (körperliche) Gegenstand. Sie unterschieden acht Theile der Seele und nannten unter diesen einen den herrschenden, in welchem alle Vorstellungen als Abdrücke der Gegenstände lägen. Die sogenannten begriffenen dieser Vorstellungen sind zugleich wahr und als wahr gewußt und geben das Kriterium der Wahrheit ab. In der Physik forschten sie nach den Principien oder Ursachen der Dinge. Sie nahmen dieselben als körperlich an und unterschieden namentlich zwei: das Passive, die reine Wesenheit, die Materie, und das Active, die Vernunft, der Gott. Das Active ist im Passiven, die Vernunft in der Materie, der Gott in der Welt, jede Trennung beider ist nur Abstraction (Willkür des Denkens). Die menschliche Seele hielten sie daher auch für körperlich (d.h. als untrennbar Eins mit der Materie) und für einen Theil der Weltseele. So war ihnen denn der oberste ethische Grundsatz der: der Natur zu folgen. Die Natur war ihnen aber, wie gesagt, untrennbar von dem ihr inwohnenden Geiste, und so ist ihnen auch das höchste Gut: nichts zu sein als Geist; und der Tugend gemäß leben, sagen sie, ist Dasselbe, wie leben gemäß der Erfahrung Dessen, was mit der Natur übereinstimmt. Als das Vernünftige ist die Tugend lehrbar, und das Gute erkennen und das Gute wollen ist gleichbedeutend. Die Lust erkannten sie nicht als Zweck der Natur an und Reichthum, Gesundheit [303] und was sonst für Güter des Lebens ausgegeben wird, waren ihnen keine wahren Güter; als ein solches nahmen sie nur die Tugend an. Die stoische Philosophie fand besonders bei den Römern Beifall und namentlich bei Denjenigen, welche einsahen, daß die Größe des röm. Staates mit der alten strengen Sitte zugleich untergehe, und daher eine strengere Sittlichkeit wieder einzuführen strebten, zugleich aber in der Philosophie einen Trost bei den Verwirrungen ihrer Gegenwart suchten. Seneca (s.d.), Epiktet (s.d.), der Kaiser Antoninus (s. Römisches Reich) erwarben als Stoiker großen Ruhm, trugen jedoch zur Förderung des wissenschaftlichen Gehalts der stoischen Philosophie nichts bei. In späterer Zeit pflegte man häufig jede strenge moralische Denkweise Stoicismus zu nennen, sowie man eine laxe Moralität als Epikuräismus (s. Epikur) bezeichnete.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 303-304.
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