Seneca

[166] Senĕca (Marcus Annäus), der Rhetor, d.h. Redner, beigenannt, kam unter der Regierung des Augustus aus Corduba in Spanien nach Rom, lehrte daselbst die Beredtsamkeit und kam durch sein ungewöhnlich gutes Gedächtniß in Ruf. Er gab mehre Sammlungen von Proben seiner Beredtsamkeit heraus, welche erhalten und zuletzt zu Strasburg 1810 herausgegeben worden sind. – Berühmter noch wurde sein Sohn Lucius Annäus Seneca, der Philosoph beigenannt. Er wurde zu Anfang unserer Zeitrechnung in Spanien geboren, begleitete seinen Vater nach Rom und wurde von diesem mit der größten Sorgfalt erzogen. Nachdem er mehre öffentliche Ämter bekleidet hatte, ward er am Hofe des Kaisers bekannt. Zwar verbannte ihn der Kaiser Claudius auf einige Zeit nach Corsica, aber nach seiner Rückkehr ernannte ihn derselbe zum Lehrer und Erzieher seines Adoptivsohnes Nero. S. erlebte an diesem seiner Zöglinge sehr wenig Freude, und mag zum Theil selbst durch seine zu große Nachgiebigkeit gegen ihn ungünstig auf dessen geistige Entwickelung gewirkt haben. Durch an Habsucht grenzende Sparsamkeit hatte sich S. ein ansehnliches Vermögen erworben, und theils der Wunsch, dieses in seine Gewalt zu bekommen, theils die Verleumdungen falscher Freunde mögen den Kaiser Nero bewogen haben, nachdem er schon vorher seiner eignen Mutter den Tod gegeben hatte, auch seines alten Lehrers sich zu entledigen. S. wurde beschuldigt, an einer Verschwörung Theil genommen zu haben, und zum Tode verurtheilt. Den letzten Beweis kais. Gunst erfuhr er in der Erlaubniß, sich selbst die Art des Todes zu wählen. Er ließ sich die Adern öffnen, nahm dann noch Gift und wurde, da Beides nicht schnell genug wirken wollte, zuletzt noch in heißen Bädern erstickt, im I. 65 n. Chr. Seine hinterlassenen Schriften sind theils Briefe und Abhandlungen über Gegenstände der Philosophie, in welchen sich ein gebildeter, aber auch durch die Ueberbildung seines Zeitalters angesteckter Verstand, aber kein tieferes Eindringen in die alte Philosophie kund gibt, und Trauerspiele, die sehr mittelmäßig sind. Vielleicht sind die letztern auch nur untergeschoben. Er näherte sich als Philosoph der stoischen Schule und hat gerade durch seine Seichtigkeit die meisten Verehrer und bis auf die neueste Zeit noch Bewunderer gefunden. Seine Schriften sind öfters herausgegeben worden, zuletzt von Ruhkopf (5 Bde., Lpz. 1797–1811) und in einer Handausgabe von Vogel (Lpz. 1830). Die Tragödien wurden ins Deutsche übersetzt von Swoboda (3 Bde., Wien 1821–30).

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 166.
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