Prosa

[585] Prosa heißt im Gegensatze zu der sprachlichen Ausdrucksweise, welche der künstlerischen Darstellung begeisterter Schöpfungen der Einbildungskraft, also der Dichtkunst eigen ist und abgesehen davon, ob sich dieselbe des Verses oder der sogenannten gebundenen Rede dabei bedient oder nicht, diejenige Form der Sprachdarstellung, welche vorzugsweise zu Verstandeszwecken, z.B. bei Mittheilung bestimmter Kenntnisse und Nachrichten, bei wissenschaftlichen Untersuchungen, öffentlichen Reden (s. Beredtsamkeit), bei Geschäften und im gemeinen Leben angewendet wird. Die regelmäßig wiederkehrende Bewegung des Verses ist ihr fremd, daher sie auch ungebundene Rede heißt; darum darf aber einer guten Prosa bei aller Freiheit der Bewegung ein gewisses Verhältniß des Wohllauts in den Worten, Perioden und Sätzen nicht abgehen, welches bei der Bildung derselben sich fortwährend und mannichfaltig neu bedingt [585] und Numerus genannt wird. Wenn der dichterische Ausdruck durch Einfließen prosaischer Vorstellungen und Ausdrücke, d.h. solcher, welchen poetische Begeisterung und der unerlaßliche Wohllaut und Rhythmus der poetischen Sprache abgeht, immer leidet, gewinnt dagegen die Prosa, wenn sie am geeigneten Orte und für passende Zwecke sich der dichterischen Ausdrucksweise durch Anwendung von Bildersprache und idealische Auffassung nähert, was jedoch gewisse Grenzen nicht überschreiten darf, wenn dadurch nicht die Klarheit der Darstellung verloren gehen und das Gefühl von Überladung oder Bombast hervorgebracht werden soll. Solche der poetischen Darstellung sich nähernde und auch wol poetisch genannte Prosa kommt namentlich im höhern Roman, in poetischen Erzählungen und auch im Schauspiel vor. Schriftsteller, die in Prosa geschrieben haben, oder schreiben, Romandichter nicht ausgenommen, werden, im Gegensatz zu den Dichtern im strengern Sinne, Prosaiker und Prosaisten genannt, doch sind die Grenzlinien zwischen den mit Prosa und Poesie verbundenen Begriffen auf dem literarischen Gebiete überall schwankend, weil sie sich einander in verschiedenen Abstufungen zu nähern vermögen. In einer untergeordneten Bedeutung heißt prosaisch auch so viel wie alltäglich, gewöhnlich und trocken.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 585-586.
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