Zeugung

[796] Zeugung. Abgesehen von der weitern Bedeutung hinsichtlich der Zeugung oder Hervorbringung organischer Geschöpfe ohne Zuthun ihnen ähnlicher, blos in Folge des Zusammenwirkens der in der Natur allgemein verbreiteten bildenden Kräfte [durch welche aber vermuthlich nur sehr tief stehende Organismen, wie Infusionsthierchen (s.d.) im Thierreiche, und Schimmel, sowie manche Flechten im Pflanzenreiche entstehen], begreift man darunter im engern und eigentlichen Sinne jenen zur Fortpflanzung führenden Vorgang zwischen geschlechtlich verschiedenen Wesen einer Gattung, welcher auf Befruchtung von der männlichen, auf Empfängniß von der weiblichen Seite beruht. Von den ältesten Zeiten her hat man dieses große Naturgeheimniß zu enthüllen versucht und Einsicht in die Art und Ursachen der Entstehung und Fortpflanzung organischer Wesen, d.i. der Pflanzen, Thiere und Menschen, zu erlangen getrachtet. Am angelegentlichsten forschte man natürlich dem Wirken der Natur bei der Fortpflanzung des Menschen nach und suchte das Geheimniß zu ergründen, mit welchem sie die Entstehung des Embryo verhüllt hat, ohne jedoch bisher zu mehr als Vermuthungen darüber gelangen zu können. Da bei organischen Wesen, von welchen männliche und weibliche Geschlechter getrennt vorhanden sind, die Vereinigung beider eine Bedingung der Zeugung ist, so hat man den Trieb dazu und zur Fortpflanzung auch Geschlechtstrieb genannt. Allein dieses Geschlechtsverhältniß besteht keineswegs überall in der organischen Natur und der Zeugungstrieb kann sich daher nicht überall auch in der Bedeutung [796] des Geschlechtstriebes äußern. So bei den Pflanzen nicht, welche Zwitterblumen tragen, in welchen männliche und weibliche Zeugungsorgane (s. Blume) vereint vorhanden sind. Zu den mancherlei Ansichten über den eigentlichen Ursprung der einzelnen Organismen gehört auch die, daß die Keime aller künftigen organischen Wesen von Gott im voraus geschaffen, aber der Art ineinander eingewickelt wären, daß sie sich nur im Verlauf der Zeit auseinander zu entwickeln und einzeln auszubilden vermögen. Diese Lehre wird Prästabilismus, Infinitovismus, Involutionstheorie und mehr spottweise auch das Einschachtelungssystem genannt. Natürlicher scheint die nach dem Griechischen Epigenese genannte Meinung von der Zeugung, nach welcher neue organische Individuen nicht aus ursprünglich vorhandenen Keimen, sondern in organischen Wesen erst durch die ihnen eignen, bildenden Naturkräfte beim Acte der Zeugung bis zur Reise für weitere Ausbildung entwickelt, als ein wirkliches Product der Erzeuger hervorgehen: Allein auch dadurch ist für Enthüllung des Geheimnisses der Zeugung nichts gewonnen und die Naturforschung ist von einer genügenden Einsicht in dessen Bedingungen und Ursachen noch weit entfernt.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 796-797.
Lizenz:
Faksimiles:
796 | 797
Kategorien: