Ackland, Henriette

[39] Ackland, Henriette. Das Weib, in der Regel angewiesen auf den Kreis häuslicher Beschäftigungen und kleiner Leidenschaften, entwickelt, wenn es aus demselben herausgerissen wird in[39] das bewegte Leben voll Gefahren, Beschwerden und Entbehrungen, gemeiniglich eine Seelenstärke, eine Kraft und Ausdauer, welche in Erstaunen setzt, und die des Mannes häufig übertrifft. – Henriette Ackland, Gattin eines britischen Majors, geleitete denselben 1776 während des Krieges zwischen England und den nordamerikanischen Kolonien nach Kanada. Die Pflicht führte den Gatten in Gefechte und Schlachten, ließ ihn tausendfache Mühseligkeiten und Gefahren bestehen; überall hin aber folgte ihm sein getreues Weib ohne Zagen, ohne Erschöpfung, ohne Klage. So sehr er auch bat, so lebendig er ihr die Gefahren der Märsche, Ueberfälle und Gefechte schilderte; sie wich nicht von seiner Seite! Wenn Alles den ungeheuern Anstrengungen erlag, schien nur sie den Muth nicht verloren zu haben; sie erheiterte und liebkoste ihren Gemahl, fühlte keine Beschwerde, kannte keine Furcht, war nie arm an Trost. Als er später dennoch von ihr getrennt und verwundet worden war, folgte sie ihm mit Lebensgefahr durch die schwärmenden feindlichen Haufen, und fand ihre Beseligung darin, seine Wunde zu heilen. Selbst im Getümmel der Schlacht verließ sie ihn nicht, das Gräßliche einer solchen Scene erblickte sie ganz in der Nähe; sie hörte die Todesbotschaften mehrerer anderer Offiziere, die mit ihm fochten; sie bebte bei dem Donner eines jeden Geschützes und zitterte für sein Leben; aber sie wich und wankte nicht, um dem im Leben und Sterben nahe zu sein, der ihr das Theuerste auf Erden war. – Endlich kam die Nachricht, daß die englische Armee geschlagen, ihr Gatte schwer verwundet und gefangen sei. Mit einigen Offiziersfrauen, die ein gleicher Muth beseelte, und deren Männer man zu den Gefallenen zählte, durchwandelte sie muthig und unerschrocken das Schlachtfeld, besichtigte die Todten und Verwundeten. Sie schickte hierauf an den General Burgoyne einen Brief, worin sie ihn um die Erlaubniß bat, in das feindliche Lager gehen und das Loos ihres Gatten theilen zu dürfen. Der General, erstaunt über ihre Hochherzigkeit, gestattete ihr dieses, und versah sie mit einem[40] Schreiben an den amerik. General Gates, dessen Edelmuthe er sie empfahl. Ohne Erfrischung, ohne warme Bekleidung, nur von zwei treuen Dienern begleitet, suchte sie die feindliche Armee auf, Tag und Nacht brachte sie in einem offenen Boote, von Kälte durchschauert, von Regen durchnäßt, auf dem Wasser zu, in steter Gefahr von den feindlichen Patrouillen erschossen zu werden. Erst bei Anbruch des Tages, nach einer schrecklich durchwachten Nacht, wurde ihr die Erlaubniß des Generals Gates zu Theil, der sie sehr menschenfreundlich aufnahm und zu ihrem Gatten geleitete. In seinen Armen vergaß sie die ausgestandenen Mühseligkeiten und Entbehrungen; sie wurde ihm wieder der tröstende Engel, die sorgsamste Pflegerin. Noch oft setzte das Geschick ihre Standhaftigkeit, ihren Muth und ihre Ausdauer auf die Probe, bis sie mit ihrem Gatten und ihren Kindern nach England zurückkehrte, wo sie im Schooße der Ruhe, nach den Stürmen eines eben so bewegten als gefahrvollen Daseins, nur ihrer Liebe und den häuslichen Pflichten lebte.

–n.

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Damen Conversations Lexikon, Band 1. Leipzig 1834, S. 39-41.
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