Etude (Musik)

[22] Etude (Musik), in der Musik, heißt eigentlich bloß ein Uebungstück. Wie der Maler Studien macht, so hat auch der Musiker seine Etudes, eine Gattung, die von den besten Componisten eifrig bearbeitet und ausgebildet wurde. Anfangs waren die Etudes mehr trockene Uebungen, die besonders auf mechanische Fertigkeit abzielten; weil aber das Mechanische den Geist tödtet, so dachte man bald daran, den dürren Studien eine interessantere und gefälligere Gestalt zu verleihen. Vor Allen hat Cramer den Etuden zuerst eine höhere und geistvollere Richtung gegeben. Auf seinem Wege gingen dann viele Andere fort. Außerdem lieferten meisterhafte Etuden: Aloys Schmitt, Berger, Arnold, Bertini, Grund, Herz, Müller, Moscheles, Czerny, Chopin, Hiller, Schumann. Da in jeder Kunst nur durch gründliche Studien die höhere Vollkommenheit erreicht werden kann, und sich deren Vernachlässigung stets rächt, so liegt der Nutzen und Werth der Etuden am Tage, und der Schüler wird sich jetzt um so lieber zu diesen Uebungen verstehen, da sie ihm in einer einladendern und freundlichern Gestalt als vormals entgegen treten. Selbst das größte Talent kann des Studiums nicht entbehren, und für jeden Lernenden ist es nothwendig, sich daran zu üben, worauf es in seiner Kunst am meisten ankommt. Ist man mit den Studien genau zu Werke gegangen, so darf man sich nach einer solchen Vorbereitung fast an Alles wagen, und die Meisterschaft wird sich wie von selbst einfinden.

E. O.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 4. [o.O.] 1835, S. 22.
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