Frauenbazar

[240] Frauenbazar, in Constantinopel, Kairo, Alexandrien, Aleppo etc. der verschlossene Hofraum, wo junge cirkassische oder Negersclavinnen zur Schau ausgestellt und von den Liebhabern oft für hohe Summen gekauft werden. Die unglücklichen Opfer des Eigennutzes sind häufig sehr gut erzogen; denn ihre Eltern bilden sie absichtlich, um ihnen, wie sie meinen, an der Seite eines Pascha's, Dey's oder Aga's, ein glänzendes Loos zu bereiten. Aus dem Zustande der Abhängigkeit gehen sie plötzlich, wenn sie zu gefallen wissen, in den einer Genossin des mächtigen Gebieters über, der alle ihre Bedürfnisse und Wünsche befriedigt. Ihre Lage erscheint ihnen nicht drückend: sie werden versorgt und das ist doch allein das Ziel ihres Verlangens, ihrer Sehnsucht. Die freie Stellung, die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit einer Europäerin ist ihnen unbekannt, der Wunsch darnach belebt sie nicht; sie sind wie Kinder, welche eine Perlen- oder Korallenschnur entzücken, aber kein Gedanke an eine düstere Zukunft erschüttern oder betrüben kann. Eine cirkassische Schönheit ersten Ranges kostet oft 50,000 Franken; dagegen eine wohlgebildete Negerin selten über 200–300 Franken. – Michaud, der den Sclavinnenmarkt von [240] Constantinopel besuchte, sagt darüber: »In Tophana sieht man einen Bazar für Cirkasserinnen; die Kaufleute vereinigen sich in zwei Kafé's, wo sie sich vom Morgen bis zum Abend aufhalten, die Sclavinnen sind in den nächstgelegenen Häusern eingeschlossen. Man nimmt sie dort in Augenschein oder sie werden auch in das Haus derjenigen, welche sie zu kaufen wünschen, geführt. In den Straßen von Tophana begegneten wir häufig diesen cirkassischen Schönheiten; ihr Gesicht ist unverhüllt, in ihren Blicken liegt etwas Trauriges und Wildes, ihre Haare sind lang und herabwallend: nichts gleicht dem schlanken Wuchse ihrer Taille. – Jüdische Weiber machen die Unterhändlerinnen bei dieser Art Geschäfte; sie wissen genau die Ankunft jeder Ladung, und was sie enthält. Schickt Cirkassien einige seiner Wunder, so geht ihnen schon der Ruf voraus; während sie noch den Gefahren, den Klippen und den Stürmen des Meeres ausgesetzt sind, spricht man von ihnen schon in Constantinopel. In diesen Tagen kündigte man die Ankunft zweier seltenen Schönheiten an; alle Matronen der Hauptstadt boten sie von Haus zu Haus an. Keinen Kaufmann, keinen Liebhaber gibt es, der sie nicht wenigstens zu sehen wünschte. Eine jede dieser beiden Cirkasserinnen sollte um 15 bis 20,000 Franken verkauft werden, was in der Sprache des Bazars so viel bedeutet, daß sie »vollkommene Schönheiten« waren. Man kauft häufig die schönsten Sclavinnen, um sie irgend einem großen Herrn zum Geschenk zu machen, sogar dem Sultan, der sie annimmt und in sein Harem schickt; früher galt es für ein mächtiges Mittel, sich zu empfehlen und im Sarail Freunde oder Einverstandene zu haben. Die Pascha's der Gestade des schwarzen Meeres und diejenigen, welche in den an Georgien grenzenden Landschaften angestellt sind, versehen noch immer das kaiserliche Harem mit Sclavinnen. – Trapezunt ist einer der größten Sclavenmärkte. Die Kaufleute von Constantinopel reisen zuweilen bis zur Mündung des Flusses Batun, bis an die Küste der Lasen und die Meeresgrenzen von[241] Mingrelien. An alle diese Landungspunkte bringt man junge Knaben und Mädchen. Oefters verkaufen die Eltern selbst ihre eigenen Kinder und tauschen dagegen Pulver, Schießwaffen, Zeuge von Aleppo und Bijouteriewaaren ein. Es ist merkwürdig, daß in allen diesen Ländern, wo dieser entehrende Handel getrieben wird, die Bewohner in ihren Sitten sehr streng sind und mit vieler Gewissenhaftigkeit die Einen sich zur griechischen, die Andern sich zur muselmännischen Religion bekennen; wirft man ihnen die Hintansetzung der elterlichen Pflichten vor, so berufen sie sich auf die seit vielen Jahren eingeführten Gebräuche und entschuldigen sich mit der Unmöglichkeit, ihre Kinder auferziehen zu können. – Ueberdieß sind sie der Ueberzeugung, daß ihre Töchter ein glänzendes Loos haben werden und daß sie, indem sie sie als Sclavinnen verkaufen, ihnen den Weg zum Glücke bahnen.

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Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 4. [o.O.] 1835, S. 240-242.
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