Gallizin, Amalie, Fürstin von

[298] Gallizin, Amalie, Fürstin von, Amalie, Fürstin von, eine Frau eben so ausgezeichnet durch Bildung und Gewandtheit des Geistes, als durch ihre literarischen Verbindungen, vorzüglich aber durch die Ueberspannung ihrer religiösen Ansichten und Grundsätze, war die Tochter des preußischen Generals Grafen Schmettau. Am Hofe der Prinzessin Ferdinand von Preußen, einer Schwägerin Friedrich's des Großen, erzogen, lernte sie auf einer Reise nach Aachen den Fürsten Gallizin kennen, der damals russischer Botschafter im Haag war. Amalia wurde seine Gemahlin und nahm, während der vielen Geschäftsreisen des Fürsten ihren Wohnsitz in Münster. Hier versammelte sie um sich einen Kreis von Freunden, vornehmlich Gelehrte und Schriftsteller, zu denen sich aber sehr bald eine Menge Personen beider Geschlechter fanden, die von den Chimären eines religiösen Proselytismus erfüllt waren und deren Wesen und Absichten Voß (s. d.) in einer kleinen Schrift: »Wie ward Fritz Stolberg ein Unfreier?« eben so wahr als treffend und witzig bezeichnete. Und allerdings ist die Glaubensänderung des Grafen Stolberg (s. d.) und seiner Familie großentheils den Einwirkungen der Prinzessin und ihrer schwärmerischen Anhänger zuzuschreiben, deren Beispiel durchaus geeignet war, die Glaubensansichten einer[298] gewissen Klasse von Menschen zu erschüttern, auf welche überhaupt ein Einfluß so leicht zu erlangen ist. Abgesehen davon behauptete die Fürstin unter ihren Umgebungen den ersten Rang und genoß als eine überaus geistreiche Frau das höchste Ansehen. Männer, wie Jacobi, Hamann, Hemsterhuis, Goethe, Fürstenberg etc., glänzten in ihren Zirkeln, und Münster war mehr als ein Mal der Vereinigungspunkt der Sterne, die damals den Stolz der deutschen Literatur und Kunst ausmachten. Hamann und Hemsterhuis gehörten zu den blinden Verehrern der Fürstin, dem erstern ließ sie nach seinem Tode in ihrem Garten ein Denkmal errichten. Auch auf Goethe versuchte sie das Uebergewicht ihrer Belehrung, dem später auch Friedrich Schlegel und Zacharias Werner weichen mußten, geltend zu machen; wir finden die Andeutung davon im 5. Bande von »Dichtung und Wahrheit aus meinem Leben.« In ihrem spätern Alter schien sie selbst nicht ohne Zweifel an ihren früheren Ideen gewesen zu sein; so hielt sie sich bei der Erziehung ihrer Kinder streng an Rousseau's System. Die Prinzessin Amalie Gallizin starb zu Angelmode bei Münster, wo sie den Sommer zuzubringen pflegte, 1806.

R.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 4. [o.O.] 1835, S. 298-299.
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