Laokoon

[277] Laokoon, ein Priester des Apollon, oder Poseidon, bekannt durch sein schreckliches Ende, welches der Gegenstand vielfach künstlerischer Darstellung geworden ist. Als die Griechen ungeachtet ihrer großen Anstrengungen nach zehnjähriger Belagerung Troja noch nicht erobert hatten, schritten sie zu der bekannten List mit dem hölzernen Pferde, das sie als ein Heiligthum der Pallas Athene vor der Stadt zurückließen, und sich scheinbar zum Rückzug einschifften. Die Bewohner Troja's eilen herbei, staunen das kolossale Bauwerk an, und wollen es als eine willkommene Beute in ihre Stadt bringen. Vergebens warnt die Seherin Kassandra, vergebens eilt Laokoon, von banger Ahnung erfüllt, von Ilions Burg[277] herab, und warnt vor dem gigantischen unheildrohenden Roß, ja er stößt es mit der Lanze in die Seite, und es dröhnt, wie Erz in dem hohlen, mit Kriegern gefüllten Leibe. Da erscheint der listige Sinon, der sich freiwillig fangen ließ, und seinen trugvollen Betheurungen wird voller Glaube geschenkt. Nun bringt man den Poseidon am Meeresstrand ein Opfer, aber immer noch warnt der Priester, und schickt sich an, den Opferstier zu schlachten, seine beiden Knaben von zartem Alter sind um ihn. Siehe, da ringeln sich über das Meer zwei riesige Schlangen, sie nahen der Küste, schießen über das Land, und umschlingen die Knaben. Alles flieht in wilder Verwirrung, man sieht die Strafe einer zürnenden Gottheit, nur Laokoon bleibt und will die geliebten Söhne aus der Gefahr befreien; da umringeln sie auch ihn, daß er machtlos steht und zum Himmel empor ein entsetzliches Geschrei ausstößt. Dieser Moment ist in plastischer Ausführung durch eines der berühmtesten Bildwerke des Alterthums der Nachwelt aufbehalten worden, durch die sogenannte Gruppe des Laokoon, welche man im Jahr 1506 in einem Weingarten bei den Bädern des Titus zu Rom fand und die in guten Abgüssen jetzt fast alle europäische Museen ziert. Die Laokoongruppe stellt den Vater in dem Moment dar, wie er vom Todesschmerz ergriffen, bemüht ist, mit den noch freien Armen die Schlangen abzuwehren, während der eine der Söhne schon hinstirbt, der andere, fest umschlungen, noch nicht den Tod, sondern nur erst die grauenvolle Todesangst erleidet. Sie stand zu Plinius Zeiten in den Bädern des Titus, wurde nach ihrer Wiederauffindung im Belvedere aufgestellt, kam dann in den Vatikan, wurde nach Paris entführt, und gelangte dann wieder nach Rom zurück.

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Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 6. [o.O.] 1836, S. 277-278.
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