Ravenna

[362] Ravenna, klassischer Boden, italischer Himmel, adriatisches Meer! Unvergängliche Jugend schmückt deine Natur, o Hesperien, und auch R., das jetzt sammt seinem schönen Dome, seinen Seidenfabriken und 25,000 Ew. als ursprüngliches Geschenk König Pipin's und spätere Ehrenhuldigung der Ligue von Cambray, dem päpstlichen Stuhle gehört, ist dein Eigenthum. Deine altersgrauen Mauern umschließen den irdischen Staub des großen Dante Alighieri, und du darfst stolz sein auf die in Stein gegrabenen sibyllinischen Bücher deiner Vergangenheit. Denn fragt dich der Fremde, was ist aus deinem alten Glanze, deiner alten Kraft geworden? so zeigst du ihm, gleich der Römerin Cornelia, deine kostbarsten Juwelen, deine Kinder – deine todten Kinder, führst ihn hin durch deine Straßen, deine Märkte, deine Promenaden, und rufst: Das bin ich, das ist mein Thron, das ist mein Gottesacker! Hier war[362] der Sitz der weströmischen Kaiser, der gothischen Könige, der üppigen Exarchen; hier liegt Honorius, hier Constantin, hier Valens III und Galla Placidia begraben, und dort errichtete Amalasunta (s. d.) dem Andenken ihres Vaters jene von Cypressen, Moos und Epheu halb überzogene Rotunda, ein rührendes Denkmal kindlicher Frömmigkeit. Der Hafen, mit der schönste im adriatischen Meere, versandet immer mehr, und die Stadt, die einst am Meere lag, liegt jetzt eine Stunde davon.

P.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 8. [o.O.] 1837, S. 362-363.
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