Schwimmen

[175] Schwimmen, jene gefeierte Kunst, durch welche Leander es vermochte, allnächtlich in die Arme der liebeglühenden Hero zu sinken. Zwar begegnen jetzt keine Göttinnen dem Schwimmenden mehr, die Nixen und Oceaniden, die Meerfeien und Najaden mit ihren harmonischen Wellenreigen sind verschwunden; aber der wohlthätige Einfluß, den das fließende Wasser auf den physischen Zustand des Körpers übt, ist immer noch derselbe, deßhalb lernen auch gegenwärtig die vornehmen Pariserinnen zum großen Theil das Schwimmen. Eine eigens zu diesem Zwecke eingerichtete Schwimmanstalt ist vollkommen im Interesse der Sitten und der Gesundheit organisirt. Der etwas barokke Schwimmanzug besteht aus Beinkleidern von grauem oder braunem Zeuge, die, ziemlich weit vom Gürtel bis zu den Knien, von da bis an den Knöchel aber sehr eng sind. Das Kamisol ist wie ein Nachtmantel gemacht, ringsherum in Falten, und wird mit den Beinkleidern zugeknöpft. Manche sind aus einem Stücke mit den Beinkleidern. Um die Bewegungen nicht zu hindern, sind die Aermel kurz und enganliegend. Ein breiter [175] Gürtel von gleichem Zeuge oder lackirtem Leder umschließt die Taille und wird zugeknöpft. Die, welche dieser Kleidung etwas Gesuchtes geben wollen, verzieren sie mit Bändchen oder Borden von rother, blauer oder grüner Wolle auf den Nähten, um den Hals und unten an den Beinkleidern. Der Kopf wird ziemlich ungraziös in eine Binde von gummirtem Taffet gehüllt, welche die Haare sehr fest umschließt, um sie gegen das Wasser zu sichern. – Wer möchte die wohlthätigen Wirkungen solcher Anstalten verkennen? Der zarte Organismus der Frauen wird dadurch gestärkt, ihre physische Kraft und Gewandtheit wohlthuend ausgebildet. Man hat auch in neuester Zeit eine Schwimmschule für Frauen in Wien errichtet, und das S. hat sich sogar als Heilmittel wider das Schielen bewährt.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 9. [o.O.] 1837, S. 175-176.
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