Weissenthurn, Johanna Franul von

[412] Weissenthurn, Johanna Franul von. Diese Frau, eben so ausgezeichnet als dramatische Schriftstellerin wie als Schauspielerin, in einer Zeit, wo die Productivität unserer dramatischen Literatur so arm ist, um so schwerer wiegend, wurde 1173 in Koblenz geb., verlor ihren Vater noch als Kind, fand aber, als sich ihre Mutter wieder verehelichte, durch ihren zweiten Vater Teichmann Gelegenheit, auf einem kleinen Theater, das derselbe bildete, ihr Talent für die Bühne zu entwickeln. In der Rolle als Blondine von dem Intendanten des Hoftheaters in München bemerkt, engagirte sie dieser für das dortige Theater, wo sie bis 1789 blieb, dann aber nach Wien ging, und sich da, wie es das wahre Talent zu thun pflegt, alle Hindernisse bekämpfend, zu der gefeiertsten Künstlerin des kaiserlichen Hoftheaters emporschwang. Zwei große Männer ihrer Zeit, Joseph II. und Napoleon, huldigten ihrer Kunst. Letzterer sah sie 1809 in Schönbrunn als Phädra, und ließ ihr als Anerkennung ein Geschenk von 3000 Franken zustellen. Sie gehört zu den seltenen Künstlerinnen, die ihren Stoff nicht allein verstehen, sondern auch beherrschen, und sich von demselben nie so weit hinreißen lassen, daß der schönste Schmuck, Natürlichkeit und weibliche Zartheit, darüber verloren ginge. Allein nicht weniger beachtenswerth ist Frau v. W. als Schriftstellerin, was selbst das Ausland anerkannte, da eine Menge ihrer Schauspiele in fremde Sprachen übertragen wurden. Die reiche Ausbeute ihrer dramatischen Muse ist dis jetzt gesammelt in 13 Bänden erschienen. Merkwürdig ist, daß sie erst in ihrem 25. Jahre die Feder ergriff, wozu eine Wette die Veranlassung gab. Sie schrieb nach einem[412] dazu bestimmten Plane das Trauerspiel »die Drusen« in Zeit von 8 Tagen, und lieferte seitdem, sich selbst erkennend, jene zahlreichen Dramen, die sich mehr oder weniger durch Frische der Darstellung, treffliche Charakterzeichnung, Witz, Laune und reiche Staffirung der Nebenrollen auszeichnen.

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Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 10. [o.O.] 1838, S. 412-413.
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