Alberoni

[94] Alberoni, Giulio, geb. 1664 bei Parma als der Sohn eines armen Weingärtners, war zuerst Kirchensänger, ward dann Canonicus, Kapellan und Vertrauter des Bischofs von St. Donino. Während des span. Erbfolgekrieges wurde er dem Herzog von Vendôme bekannt, der ihn nach Frankreich [94] mitnahm, wo er seine diplomatischen Talente entfaltete. Als Gesandter des Herzogs von Parma in Madrid stürzte er die Gräfin Orsini, welche König Philipp V. von Spanien beherrschte und brachte dessen Vermählung mit Elisabeth Farnese, Prinzessin von Parma, zu Stande. Dafür wurde er Grande von Spanien, erster Minister, Cardinal; er regierte nun Spanien, entwickelte eine Thätigkeit, welche Spanien wohlthätig anregte, unterdrückte aber auch die letzten ständischen Freiheiten. Um den Kindern aus der ersten Ehe seiner königlichen Gönnerin Kronen zu verschaffen, entwarf A. einen der kühnsten Plane, die je ersonnen wurden; er entriß Oesterreich durch raschen Ueberfall Neapel und Sicilien, aber nun mischte sich England ein, welches das Emporkommen der span. Seemacht hindern wollte und schlug die span. Flotte. Als A. den Regenten Frankreichs, den Herzog von Orleans, durch eine Hofrevolution stürzen wollte und dies mißlang, erklärte sich auch Frankreich gegen Spanien; A. aber wollte Oesterreich durch eine ungarische Revolution und einen Türkenkrieg beschäftigen, gegen England den Prätendenten unterstützen, Frankreich revolutioniren, er verband sich mit Carl XII. von Schweden und Peter dem Gr. von Rußland, als der Einmarsch eines franz. Heeres auf span. Gebiet Philipp V. schreckte und den Cardinal stürzte (1720). Dieser entfloh unter Lebensgefahr aus Spanien und irrte lange in Europa unter fremden Namen umher, wurde einmal auf Befehl Clemens XI. arretirt und zur Klosterbuße von 4 Jahren verurtheilt, doch 1723 von Innocenz XIII. vollständig begnadigt. A. st. 1752, 88jährig und hinterließ ein ungeheures Vermögen.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 1, S. 94-95.
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