Byron [2]

[735] Byron, George Noël Gordon, Lord, Enkel des Vorigen, geb. 22. Jan. 1788 zu Dover; sein poet. Talent zeigte er schon in der hervorragendsten Weise in den 1807 erschienenen »Hours of idleness«; sie erfuhren durch Lord Brougham eine ungerechte Kritik in dem Edinburgh review, die B. mit »English Bards und Scotch reviewers« vergalt, in welcher Satyre er die ersten Blitze seines übergewaltigen Witzes schleuderte, durch den er später bei seinen Landsleuten ebenso beliebt als berüchtigt wurde. Eine unerwiderte Liebe zu Miß Chaworth brachte ihn in einen halbwahnsinnigen Zustand; Ausschweifungen waren die Folgen und seine kurze Theilnahme an der engl. Politik (er saß als whiggist. Pair im Oberhause, zeigte sich jedoch nicht als Redner), vermochte seine Mißstimmung [735] ebensowenig zu heilen als eine von 1809–11 durch Portugal, Spanien und Griechenland unternommene Reise. Er besang diese in den 2 ersten Gesängen des Childe Harold, wodurch er sich die Gunst der Nation eroberte, und nun folgten seine herrlichsten Dichtungen: der Giaur, die Braut von Abydos, der Korsar, Lara, Parisina, die Belagerung von Korinth rasch nach einander. 1815 heirathete er Anna Isabella Milbank Noël, trennte sich aber von ihr schon 1816. B. hatte allerdings wenig Anlagen zu einem Ehemann, seine Frau paßte aber ihrerseits ebensowenig für ihn; zudem war B. verschuldet und von Gläubigern geplagt. Die engl. Aristokratie nahm gegen ihn die feindseligste Partei und jetzt verließ B. England zum zweitenmale, hielt sich längere Zeit in Venedig auf, dann in Ravenna, Pisa und Genua, wohin er durch seine Liebe zu der schönen Gräfin Guiccioli gezogen wurde; ihr Bruder brachte den Lord auch in Verbindung mit dem ital. Carbonarismus. Während dieser Zeit erschienen: der Gefangene von Chillon, Manfred, Beppo, Mazeppa, Don Juan, Marino Falieri, Sardanapal, die beiden Foscari, Kain, Himmel und Erde, Werner, die Insel. Der griech. Aufstand rief ihn 1823 in das Land seiner wahren Liebe; er unterstützte die griech. Regierung mit 12000 Pfd. Sterl., unterhielt 500 Sulioten auf seine Kosten. st. aber schon am 19. April 1824 an einer Gehirnentzündung in Missolunghi, von wo sein Leichnam nach England gebracht wurde. Noch hat ihm England die Ehre des Denkmals neben den großen Geistern der Nation nicht gewährt, dessenungeachtet ist B. nach Shakespeare sein größter Dichter. Unübertroffen steht B. als Lyriker da; seine Naturschilderungen sind glänzend, Schmerz und Liebe finden in seinen Liedern einen Ausdruck, der in die Tiefe des Gemüthes dringt. Dagegen sind seine Dramen von geringerer Bedeutung; er zeichnet einförmige Charaktere, die Haltung ist rhetorisch, der Inhalt immer ein Zerwürfniß mit Gott oder der Welt. Menschenhaß, Verzweiflung an der Gegenwart, ein scheinbarer Lebensüberdruß und Eckel mischen ihren Mißklang aber nicht allein in die Dramen, sondern auch in seine lyrisch-epischen Gedichte; selbst seine Freiheitsliebe äußert sich in einer leidenschaftlich erzwungenen Manier, so daß B. allerdings der erste Repräsentant der sog. Poesie des Weltschmerzes ist; aber er steht dennoch groß und herrlich da, und wenn man die großen Dichter manchmal mit Bergen vergleicht, so ist B. der Aetna, der innen glühend, mit Schnee bedecktem rauchendem Gipfel in das Himmelblau ragt, während seinen Fuß eine Fülle von Segen umgibt. B.s Werke erschienen vollständig London 1833; sie sind fast in alle Sprachen übersetzt. in die deutsche zuletzt von G. Pfitzer, Stuttg. 1836–39 u. A. Böttger, Lpzg. 1840, 3. Aufl. 1845. Sein Freund Pietro Gamba gab B.s Tagebuch aus seiner letzten Zeit, Thomas Moore aus seiner früheren nebst Briefen etc. heraus. B. hinterließ eine eheliche Tochter Ada, eine natürliche, Arabella. st. frühe in Italien.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 1, S. 735-736.
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