Hutten

[374] Hutten, Ulrich v., einer der Geister des 16. Jahrh., in welche die Unruhe und Haltlosigkeit der Zeit gefahren war und zugleich ein trauriges Idol der modernen Liberalen, geb. 1488 im Schlosse Steckelberg unweit Fulda aus einem der ältesten Rittergeschlechter Frankens, entfloh aus der Klosterschule zu Fulda 1504, trieb humanistische Studien an verschiedenen Orten, führte ein unstetes Wanderleben im deutschen Reich u. in Italien als fahrender Poet, Literat, Student der Rechte, 1513 für kurze Zeit auch als Soldat und beurkundete seinen Zerfall mit der Kirche, Wirklichkeit und sich selbst in latein. u. deutschen Schriftchen, denen übrigens patriot. Gefühl, Kraft u. gesunder Mutterwitz nicht abgesprochen werden können. Ob den vielfach verrotteten Zuständen des Clerus seiner Zeit vergaß er die ewigen Grundsätze der Kirche sowie den bedeutenden Unwerth seiner eigenen Person und ward um so gefährlicher, je populärer er zu schreiben verstand. Als 1515 der wüste Herzog Ulrich einen Vetter H.s [374] ermordet hatte, trug dieser mit seiner Feder namhaft zur Vertreibung des Herzogs aus Württemberg bei, kam mit seiner Familie wieder auf guten Fuß zu stehen und mehrte seinen Ruhm durch Theilnahme an den Epistolae obscurorum virorum (s. d.). Obwohl er ein mittelmäßiger Verseschmied u. dabei ein tüchtiger Sturmbock gegen alles Bestehende in Kirche u. Staat war, krönte ihn 1517 Peutingers Tochter zu Augsburg doch zum Dichter, der alte Kaiser Max I. schlug ihn zum Ritter und der Erzbischof Albrecht von Mainz nahm ihn in seine Dienste. Im Bunde mit Vielen warf H. fortan eine Brandschrift nach der andern in die bewegte Zeit, unterstützte namentlich Luthers Unternehmen, obwohl er Luthern als einen Mönch nicht leiden mochte und von ihm abließ, als er in demselben einen »Halben« erkannte, hetzte alle Stände gegen die Kirche und gegeneinander selbst und trieb es ärger als je bei Sickingen auf der Ebernburg, nachdem ihn der Erzbischof Albrecht zuletzt hatte fallen lassen müssen. Gleich Sickingen traf den H. am 10. Oktbr. 1522 die Reichsacht; er floh über Basel, wo Erasmus ihn gar nicht zu sich ließ u. der Magistrat ihm bedeutete, sich baldigst davon zu machen, nach Zürich und st. 1523 auf der Insel Ufnau im Zürichersee an der Lustseuche, mit der er frühzeitig bekannt geworden war u. die er sogar besungen hat. Von seinen Schriften gab 45 Münch, Berlin 1822 ff., 5 B., heraus.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 374-375.
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