Hutten zum Stolzenberg

[644] Hutten zum Stolzenberg, ein altes fränkisches Adelsgeschlecht, welches 1818 in Baiern bei der Freiherrnklasse immatriculirt wurde. 1) Simon, wurde 1308 zum Fürstabt von Hersfeld erwählt. 2) Ulrich v. H., geb. 20. (22.) April 1488 auf dem Schlosse Steckelberg in Kurhessen, erhielt seine wissenschaftliche Vorbildung seit 1498 im Stifte zu Fulda u. wurde zum Mönch bestimmt, entfloh aber 1504 nach Erfurt, bildete sich dort weiter aus, ging 1505 nach Köln u. 1506 mit Rhagius Ästicampianus nach Frankfurt a. d. O., wo eben die neue Universität eröffnet wurde, u. studirte dort eifrig Philologie u. Poesie. Weil er mit seinem Vater wegen seiner Flucht aus Fulda auf gespanntem Fuße lebte, so war er ziemlich mittellos u. lebte von den Unterstützungen des Ritters Eitelwolf von Stein. Von Frankfurt ging er nach Greifswald, wo er in Händel mit dem Bürgermeister Lötz gerieth, in deren Folge er Mißhandlungen zu erdulden hatte, von da nach Rostock, wo er philologische Vorlesungen hielt, von hier Ende 1510 nach Wittenberg, dann nach Böhmen u. Mähren u. lebte bis 1512 in Wien; von da ging er nach Pavia u. Bologna, studirte die Rechte, beschäftigte sich aber hauptsächlich mit den humanistischen Wissenschaften u. der Poesie. Die Erfahrungen in Italien machten ihn zu einem erklärten. Gegner des Papstthums, u. sein Haß gegen die Franzosen verwickelte ihn in schlimme Händel; gemißhandelt u. ausgeplündert nahm er Kriegsdienste im Heere des Kaisers Maximilian u. kehrte 1517 nach Deutschland zurück, wo er sich mit seinem Vater aussöhnte, indem er den Mord seines Vetters, Hans v. H., durch beißende Satyre an dem Herzog Ulrich von Württemberg rächte. Inzwischen hatte er sich auch Reuchlins in dessen Handel mit den Kölner Dominicanern angenommen, u. in diese Zeit gehören die Epistolae virorum obscurorum, in welchen die Verkommenheit der Kirche u. ihrer Häupter auf die vernichtendste Weise geschildert wurde. Seine nationale Richtung beurkundete er besonders in der Hinweisung auf die Nothwendigkeit der Einigkeit der deutschen Fürsten u. wie die des Gehorsams gegen den Kaiser so des Widerstandes gegen den Papst, welcher Deutschland nur brauche, um Geld von da zu erpressen; gegen diesen war besonders die Schrift: Römische Dreifaltigkeit, 1519, gerichtet. Luthers Reformation war er nur insofern zugethan, als sie gegen den Papst gerichtet war, wie[644] dieser mit dem Worte, so wollte er mit Gewalt gegen Rom kämpfen u. dazu verband er sich mit Franz v. Sickingen, welchem der deutsche Adel anhing u. welcher 1522 auf dem Tag zu Landau von den Oberrheinischen zum Hauptmann gewählt wurde. Da die Fürsten Deutschlands auf seinen Befreiungsplan Deutschlands vom römischen Drucke nicht eingingen, so forderte er die Städte auf, sich mit dem Adel zu diesem Zwecke zu verbinden u. Front gegen die Fürsten zu machen. Aber Sickingen unterlag 1523, u. H. mußte aus Deutschland fliehen; in der Schweiz zog sich auch sein alter Freund Erasmus in Basel von ihm zurück u. der. Rath in Zürich wies ihn aus; er wandte sich nach der Insel Ufnau im Züricher See u. st. hier 29. Aug. 1523. H. ist von verschiedenen Standpunkten sehr verschieden beurtheilt worden; gewiß ist, daß er ein leidenschaftlicher, aber edler Mann war, dessen religiöse Richtung eine vorherrschend negative, das Wesen der Reformation nicht begreifende u. fassende war, der aber alles aufbot, um sein Vaterland aus der Schmach zu reißen, des Papstes Knecht zu sein. Er war Mitverfasser der Epistolae obscurorum virorum (s.d.), u. die meisten seiner Schriften waren satyrischen Inhalts gegen den Papst, die Mönche u. den Clerus. Werke, herausgeg. von Münch, Berl. 1821–23, 6 Bde., u. von Ed. Böcking, Lpz. 1859 ff., 7 Bde. (1. u. 2. Bd. Briefe, von ihm u. an ihn; 3. Bd. Gedichte; 4. Bd. Dialoge; 5. Bd. Reden u. Abhandlungen; 6. Bd. die Epistolae virorum obscur. u.a. Schriften zweifelhafter Herkunft; 7. Bd. Commentare u. Register); Epistolae U. ab Hutten ad R. Crocum, Lpz. 1801. Ein Verzeichniß der Schriften H-s von Böcking, Index bibliographicus Huttenianus, Lpz. 1858. Biographie, von Schubart, Lpz. 1791; Tischer, ebd. 1803; A. Burck, Dresd. 1846; vgl. Panzer, Ulrich v. H., in literarischer Hinsicht, Nürnb. 1798; H. u. sein Zeitalter, Gieß. 1813; G. C. F. Mohaidi, Ulrich v. H-s Jugendleben, Greifsw. 1816; C. I. Wagenseil, Ulrich v. H., Nürnb. 1823; K. Hagen, Ulrich von H., in politischer Beziehung, in dessen Schrift: Zur politischen Geschichte Deutschlands, Stuttg. 1824; E. v. Brunnow, Ulrich v. H., Lpz. 1842 ff., 3 Bde.; Bürck, Ulrich v. H., Dresd. u. Lpz. 1846; David Friedrich Strauß, Ulrich v. H., Lpz. 1857, 2 Bde. 3) Philipp v. H., geb. um 1510; vorher Edelknabe des Kaisers Karl V., ging mit den Schiffen, welche Venezuela für Welser in Besitz nehmen sollten, nach Amerika; 1535–38 machte er Reisen in Amerika, ging dann nach Europa heim, kehrte aber als Statthalter von S. Domingo wieder nach der Neuen Welt zurück. 1541 reiste er mit dem jüngeren Welser wieder nach Amerika u. wurde dort 1545 mit seinen Begleitern von dem, in seiner Abwesenheit an seine Stelle als Statthalter eingesetzten u. ihm nachreisenden Juan de Caravazal ermordet. 4) Freiherr Christoph Franz, geb. 1673; wurde 1724 kurmainzischer u. würzburgischer Geheimerath u. Domdechant in Würzburg u. st. 1729. 5) Freiherr Christoph, geb. 1706; vorher Domherr u. seit 1743 Bischof von Speier, wurde 1761 Cardinal u. gefürsteter Propst in Weißenburg u. st. 1770. Er gründete die Huttener Bildergallerie, die später nach Berlin verkauft wurde. Jetziger Chef ist: 6) Freiherr Ulrich, Sohn des 1857 verstorbenen Freiherrn Ferdinand, ist Oberlieutenant in baierischen Diensten u. seit 1856 mit Henriette geb. v. Bruck vermählt.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 644-645.
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