Epistŏlae obscurōrum virōrum

[803] Epistŏlae obscurōrum virōrum (lat., Briefe unbekannter Männer, Dunkelmänner), Sammlung satyrischer Briefe aus dem 16. Jahrh., in barbarischem (Küchen-) Latein geschrieben, Hagenau 1515 u. 1519, 2 Bücher. Der Zweck dieser Briefe war die Verspottung der sogenannten Obscuranten, welche kurz vor dem Beginn der Reformation ihre Ketzerverfolgungen auch gegen die Gelehrten richteten, die der humanistischen Richtung zugethan, ihre Forschungen u. Studien über die Grenzen der kirchlichen Theologie ausdehnten. Vorzugsweise traf die Satyre den Oberketzerrichter Jakob van Hoogstraten u. dessen geistliche Anhänger an der Kölner Hochschule, deren mit Anmaßung gepaarte Ignoranz gegen die gründliche Gelehrsamkeit Reuchlins, Erasmus von Rotterdam u. anderer Humanisten in directem Gegensatze stand. Die Briefe erregten bei ihrem Erscheinen ungemeines Aufsehen u. bewirkten zuerst eine schärfere Scheidung der kirchlichen Parteien. Sie rühren ohne Zweifel von mehreren Gelehrten her, welche zu Reuchlin in naher Beziehung standen. Das erste Buch wird dem Buchdrucker Wolfg. Angst zugeschrieben. Sicher hatte auch Hutten großen Antheil[803] an der Abfassung dieser Briefe, welche 1517 durch eine päpstliche Bulle verboten wurden. Neue Ausgabe Rom 1556 u.ö., Frankf. a. M. 1624 u.ö., Lond. 1710, am vollständigsten u. vermehrt mit Lamentationes obscurorum virorum u.a., Frankf. a. M. 1757. Die neuesten Ausgaben sind von Münch, Lpz. 1827, u. Rotermund, Hannov. 1827, 2 Bde. Unter diesem Titel erschienen auch 1849 eine Anzahl satyrischer Briefe von G. Schwetschke in Halle, Mitglied der deutschen Nationalversammlung zu Frankfurt, worin mehrere hervorragende Mitglieder dieser Versammlung gegeiselt wurden. Im Gegensatz zu den E. o. v. wurde auch der Titel: E. clarorum virorum, als Buchtitel von Briefsammlungen beliebt, so Frankf. 1556. Eine spätere interessante Sammlung dieser Art ist E. virorum clarorum et doctorum ad M. Goldastum, Frankf. u. Speier 1688.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 5. Altenburg 1858, S. 803-804.
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