Taubstumm

[420] Taubstumm, nennt man einen Menschen, der, weil er nicht hört, nicht sprechen gelernt hat. In der Regel verständigt sich der T.e mit den Personen, die immer um ihn sind, durch Gebärden ziemlich gut, doch nicht mit Unbekannten, auch kann derselbe auf diesem Wege weder zur Religion u. zur Kenntniß der menschlichen Pflichten, noch zur Erlernung eines Berufs herangebildet werden, weßhalb die Männer ein hochverdienstliches Werk vollbracht haben, welche für die T.en einen förmlichen Unterricht möglich machten. Früher glaubte man, der T.e habe einen organischen Fehler an der Zunge und suchte durch chirurgische Operationen abzuhelfen, bis der span. Arzt Valles 1570 darauf aufmerksam machte, daß die Ursache des Stummseins allein in der Taubheit zu suchen sei; von dem Zeitgenossen dieses Arztes, dem span. Mönche Pedro de Ponce, stammt der erste gelungene Versuch, den T.en Unterricht zu ertheilen, was alsbald in den meisten Ländern Europas nachgeahmt wurde. Das größte Verdienst erwarb sich der franz. Abbé de l'Epée (s. Epée). Bisher hatte sich der Unterricht der ausgebildeten Gebärden- u. Zeichensprache bedient, die Methode, die T.en förmlich sprechen zu lehren, wurde von Ammann angeregt, von Heinicke (1777), Graser u.a. weiter ausgebildet. Jetzt bestehen in den civilisirten Ländern gegen 200 T. eninstitute, in welchen ungefähr 5000 T.e Unterricht erhalten; die Zahl der T.en in Europa wird aber auf mehr als 145000 berechnet.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 420.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika