Taubheit

[419] Taubheit, ist die Unfähigkeit Gehöreindrücke zu empfinden. Diese Unfähigkeit kommt angeboren vor und hat dann nothwendig auch die Unfähigkeit zu sprechen, wenigstens mit Wohllaut u. Geläufigkeit zu sprechen, im Gefolge, Taubstummheit. Laute von sich geben, durch Anstrengung seiner Kehlkopfmuskeln, ist zwar auch dem Taubstummen möglich, allein da es ihm unmöglich ist seine od. eine fremde Stimme zu hören, so ist eine weitere Ausbildung der Stimme u. eine Verbesserung seiner ersten Mittheilungsversuche für ihn unmöglich. Mit Hilfe des Gesichts kann ein Taubstummer durch Nachahmung der Bewegungen des Mundes es höchstens zu einer sehr eintönigen Aussprache bringen. Verliert ein Mensch in frühem Lebensalter das Gehör, so ist die Folge eine ähnliche. T. tritt als Krankheitssymptom auch vorübergehend auf, noch mehr aber Stumpfheit des Gehörsinnes, was man im gemeinen Sprachgebrauch häufig auch mit T. bezeichnet. Die Ursache der T. ist entweder eine dynamische oder organische. Erstere ist ein Fehler entweder des Centralorgans des Gehirns od. des Gehörnervens, welcher Fehler nicht in einem Mangel seiner anatomischen Structur, sondern lediglich in seiner functionellen Energie zu suchen ist. Der organischen Fehler gibt es mannigfaltige: Entzündungen, Geschwüre, Aftergebilde, Knochenfraß des Gehörorgans selbst, ferner alle möglichen Krankheiten des Gehirns, Entzündung, Wassersucht, Erweichung, Blutungen etc. Sind solche pathologischen Zustände heilbar, so ist auch die T. nur vorübergehend u. bedarf einer besonderen Berücksichtigung beim Heilplane nicht. Kehrt das Gehör nur theilweise wieder, so gibt diese Stumpfheit des Gehörs erst Veranlassung zu einer nachträglichen speciellen Behandlung. So viel man nun auch schon Versuche gemacht, wobei Itard u. Kramer als Hauptautoritäten anzuführen sind, den Krankheiten des Gehörs beizukommen und damit auch der T., so muß man doch gestehen, daß der Erfolg verhältnißmäßig gering blieb. Auf eine zweckentsprechende Behandlung der inflammatorischen und subinflammatorischen Zustände der verschiedenen Gebilde sowie auf die Anwendung des durch die eustachische Röhre einzubringenden Ohrenkatheders zu Einführung von [419] Flüssigkeiten in Dampfform z.B. Wasser-, Aetherdämpfe als Reizmittel für den Gehörnerven, beschränkt sich so ziemlich das Erheblichste. Als Palliativmittel sind die verschiedenen schallzubringenden Apparate bekannt.

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Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 419-420.
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