Buridans Esel

[108] Buridans Esel ist der Name des erdachten Beispiels, durch welches der Scholastiker Buridan (1300-1358) zu Paris seine Ansicht von der Unmöglichkeit der Willensfreiheit zu erläutern versucht haben soll. Es ist zur sprichwörtlichen Wendung geworden. Buridan soll, um seine Behauptung zu beweisen, das Beispiel eines hungrigen Esels gewählt haben, welcher, zwischen zwei gleich große, gleich beschaffene, in gleichem Abstande befindliche Heubündel gestellt ist und nun nach Buridans Ansicht sich nicht zu entscheiden vermag, von welchem Bündel er zuerst, fressen soll, der daher verhungern muß. In Buridans Schriften findet sich dies Beispiel nicht; in der Ethik des Spinoza wird aber darauf angespielt. Übrigens ist der Gedanke nicht Buridans Eigentum. Schon Dante,[108] Parad. IV, 1-3 sagt: »Zwischen zwei gleich entfernten und gleich anlockenden Speisen würde der Mensch eher Hungers sterben, als daß er bei der Willensfreiheit eine von ihnen zwischen die Zähne brächte«, und Aristoteles (de caelo II, 13 p. 295b 32) weist schon wie auf ein bekanntes Beispiel und Bild auf den »heftig Hungernden und Dürstenden hin, der gleich weit von Speise und Trank entfernt ist und der in Ruhe verharren muß«. (Siehe Schopenhauers Schriften 1877. IV², 58.)

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 108-109.
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