Eigentum

[165] Eigentum (lat. dominium) heißt alles, worauf jemand ein Recht durch Kauf, Erwerb, Geschenk oder Erbschaft erworben, oder worauf er mit Ausschluß eines anderen einen Anspruch hat. Er kann damit machen, was er will; er kann es verändern, verschenken, verkaufen usf. Besitz hingegen ist nur die faktische Herrschaft über eine Sache. Das Eigentum kann Einzel- oder Gemeineigentum sein, je nachdem es einer Person oder einer Gemeinschaft von Personen gehört. Die Unverletzlichkeit des Eigentums bildet eine Hauptstütze der menschlichen Gesellschaft. Kant (1724-1804) definiert: »Das Rechtlich-Meine (meum iuris) ist dasjenige, womit ich so verbunden bin, daß der Gebrauch, den ein anderer ohne meine Einwilligung von ihm machen möchte, mich lädieren würde. Die subjektive Bedingung der Möglichkeit – des Gebrauchs überhaupt ist der Besitz«. (Kant, Metaphysik der Sitten 1, S. 55). Die natürliche Eigentumstheorie (Stahl, Bluntschli) betrachtet das Eigentum als ein Urrecht der menschlichen Persönlichkeit, die Okkupationstheorie (vertreten von den Naturrechtslehrern des 17. und 18. Jahrhunderts) führt es auf erste Besitzergreifung zurück, die Arbeitstheorie (Locke, Thiers, Bertin) auf Arbeit, die Vertragstheorie (Grotius, Pufendorf, Kant) auf Vertrag und die Legaltheorie (Hobbes, Montesquieu, Bentham, Kant) auf positive Gesetze. Der Sozialismus fordert die Rückkehr zum Gemeineigentum. Der Begriff des Eigentums als Rechtsbegriff ist ohne wesentliche Schwierigkeiten. Der Begriff des Eigentums als philosophischer Begriff ist weit schwieriger. Als Eigentum kann philosophisch nur gelten, was dauernd mein ist, und was ich wahrhaft nutze. Dauernd mein sind aber weder äußere Reichtümer, noch körperliche Eigenschaften, noch geistige Habe. Darum ist selbst das die geistige Habe als wahre Habe der körperlichen und äußeren voranstellende philosophische Wort (des Bias) unzutreffend: Omnia mecum porto mea (Cicero, Paradoxa I, 1,8), und nur Goethes Wort[165] trifft zu: »Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, nm es zu besitzen. Was man nicht nutzt, ist eine schwere Last. Nur was der Augenblick erschafft, das kann er nützen.« Vgl. Leist, Natur des Eigentums. Jena 1859. Mayer, Das Eigentum nach den verschiedenen Weltanschauungen. Freiburg 1871.

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 165-166.
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