Collision

[119] Collision (lat. collisio, von collidere = zusammenstoßen) heißt der Zusammenstoß der Rechte oder Pflichten. Eine Kollision der Rechte untereinander kann stattfinden. So kollidieren z.B. die Rechte von A und B, wenn dieser eine Uhr kauft, die jenem gestohlen worden ist. Eine Kollision der Pflichten aber gibt es für den moralischen Menschen nur in seltenen Fällen und meist nur vorübergehend; denn durch sittlichen Takt findet er meist bald heraus, welche Pflicht die größere ist und daher Erfüllung heischt. Daher kommen auch die von der Casuistik (s. d.) ausgesonnenen Fälle meist in der Wirklichkeit gar nicht vor. Die Tragödie, wie die Poesie überhaupt, hat es aber oft mit solchen Kollisionen zu tun; in der Antigone des Sophokles hat z.B. Antigone zwischen der Pflicht gegen den toten Bruder und der Pflicht gegen den König zu wählen. In den Choephoren und Eumeniden des Aischylos kollidiert die Pflicht der Blutrache des Orestes mit der Pflicht der [119] Pietät gegen seine Mutter. Doch auch in der Tragödie findet der Held meist den rechten Ausweg, der freilich ein solcher sein kann, daß seine Person zugrunde geht, während das sittliche Gesetz triumphiert.

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 119-120.
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