Negation

[389] Negation (lat. v. negatio, gr. apophasis), Verneinung, ist die Aussage, daß einem Subjekt ein Prädikat nicht zukomme. Die Verneinung ist eine Unterform der Kategorie der Verbindung oder Beziehung. Sie ist die Ausschließung des Prädikates vom Subjekt, der Eigenschaft von der Substanz, der Wirkung von der Ursache usw. Die Verneinung ist die Grundform des Trennens und Unterscheidens. Da alle Verneinung aus der Beziehung entspringt, ist sie nur am Positiven, als dessen Beziehung zu einem anderen Positiven vorhanden. Reine Negation findet sich nirgends bei der Verbindung des Denkens mit dem Sein. In der Natur ist nichts durch absolute Negation zu begreifen; überall stellt sie sich dem Forschenden, von anderer Beziehung aus genommen, wieder als Bejahung dar. Die Verneinung ist also eine sekundäre Beziehung des Denkens.

Die reine Negation ist daher nur eine höchste Abstraktion; es ist unzulässig, sie zum selbständigen realen Faktor zu erheben, wie Hegel (1770-1831) tut: es ist dies eine Hypostase, die aus der Verwechslung des Abstrahierten mit dem Realen hervorgeht. Auch der Satz Spinozas (1632 – –1677), durch den die Bedeutung der Negation im menschlichen Denken übermäßig hoch geschraubt wird: Omnis determinatio est negatio (Jede Bestimmung ist Verneinung) ist nur für den zutreffend, der der Substanz allein, insofern sie das Allgemeine ist, das Dasein zuspricht, also nur für den Pantheisten.

Die besonderen Arten der Verneinung sind Gegensatz und Widerspruch. Der Gegensatz ist die Verbindung zweier einander einschränkender positiver Größen, der Widerspruch ist die Verbindung einer Große mit ihrer Verneinung. Jener findet sich in der realen Welt, dieser nur in der logischen Abstraktion. Nur in Gedanken existiert der logische Widerspruch; nur Gedanken widersprechen sich. In den Gegensätzen der Erscheinungen, welche nur die Endpunkte eines Ganzen, die sich einschränkenden Richtungen der Naturkräfte darstellen, wird[389] das Ganze bejaht; in dem Widerspruch wird es verneint, oder es geschieht ihm Abbruch. Die Gegensätze bewegen die Natur und schaffen das Leben und die Veränderungen. Der Ausdruck für den Widerspruch ist der Satz des Widerspruchs (A ist nicht Nicht-A). Ohne diesen Satz existiert weder Verständigung noch Beweis noch Widerlegung. Denn auf ihm beruht die Bewahrung des Gewordenen, des Bestimmten als festen Besitzes der Erkenntnis. Der Gegensatz findet seinen Ausdruck in der Formel A – B = C. Für den Gegensatz also ist die Operation der Subtraktion der mathematische Ausdruck. Die Verbindung von A mit Non-A liefert nur das nihil negativum irrepraesentabile, ein Gedankenunding; die Verbindung von A mit –A ist dagegen = O, das nihil negativum repraesentabile. Der erste, der scharf den Unterschied des logischen Widerspruchs und des realen Gegensatzes beleuchtete und erkannte, daß logische Negation und negative mathematische Größen etwas ganz Verschiedenes sind, war Kant (1724-1804). Versuch, den Begriff der negativen Größen in die Weltweisheit einzuführen. 1763. Vgl. Kr. der reinen Vern., 1781, S. 260-292, von der Amphibolie der Reflexionsbegriffe.

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 389-390.
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