[Komm Hexchen]

[231] J.


Komm Hexchen, weil die Sonne scheint,

In meine kühle Laube


N.


Ja Schatz, die wilde Rebe weint

Es lacht die Turteltaube.

Rukukukuku, Rukukukuku

Hast du kein Glas, so trink aus dem Schuh.


J.


Dein Fuß ist fein, dein Schuh ist klein

Ich komm zu kurz beim Trinken


N.


Ich geb' ein Küßchen obenein

Das macht die Waagschal' sinken.

Rukukukuku, Rukukukuku

Verdrießt euch's macht die Äuglein zu.


J.


Willst du nicht schöne Künste mich,

Mein süßes Hexchen lehren?


N.


Sag, warum freut die Traube dich

Mit ihren vielen Beeren?

Rukukukuku, Rukukukuku

Ich fürchte, es drücket euch beide der Schuh.


J.


An einer süßen Traube muß

Doch Beer' an Beere sitzen,


N.


Ja, doch jed Beerlein ist ein Kuß

Den Wein recht zu erhitzen.

Rukukukuku, Rukukukuku

Machen wir's wie die Weinbeerlein nu.


J.


Sag Hexchen, warum weinen wohl

Im Frühling so die Reben?


N.


Weil sich ein Mägdlein sehnen soll[231]

In ihrem jungen Leben.

Rukukukuku, Rukukukuku

Mein Hexchen jetzt auch dergleichen tu.


J.


Und warum schwillt der Wein im Faß?

Wenn draus die Trauben blühen.


N.


Hüpft doch mein Herz ohn' Unterlaß

Weil deine Wangen glühen.

Rukukukuku, Rukukukuku

Du Hexchen Herzchen, wie hüpfest du nu.


J.


Ach Hexchen, hilf der Schlauch ist leer,

Und voll ist noch der Willen,


N.


Dort steht der rote Mond im Meer

Der soll den Schlauch dir füllen.

Rukukukuku, Rukukukuku

Roter Mond, welch Weinlein schenkest du?


J.


Der Mond schenkt einen Zaubertrank,

Er wird mich gar berauschen,


N.


Horch, Nachtigallen, Liebeszank

Schatz, laß uns den belauschen.

Rukukukuku, Rukukukuku

Wie Nachtigall klingt der Guguck nu.


J.


O Zauberei verbuhlter Nacht

Wie süß die Wellen flüstern.


N.


Sieh, wie der Mond im Spiegel lacht,

Ich bin zu baden lüstern.

Rukukukuku, Rukukukuku

Er sieht gewiß durch die Finger zu.


J.


Ach Hexchen, zieh dein Hemdchen aus,

Ich drehe dir den Rücken,


N.


Ich mache schon die Wellen kraus,

Schatz teile mein Entzücken.

Rukukukuku, Rukukukuku

Wie schnell, wie schnell dreht er sich nu!


[232] J.


Ach Hexchen, du schwimmst wie ein Fisch

Kaum trau' ich meinen Augen.


N.


Schatz komm ins Bad, ach kühl ach frisch,

Ich lehr' dich untertauchen.

Rukukukuku, Rukukukuku

Wie eilt der Tölpel dem Wasser zu.


J.


Ich tipp' hinein mit einem Fuß,

Es will mir nicht behagen.


N.


Ich spitze schon den Mund zum Kuß,

Und du willst jetzt verzagen.

Rukukukuku, Rukukukuku

Am neuen Tore steht die Kuh.


J.


Ich wat' hinein bis an das Knie,

Es macht mir Krampf und Schmerzen


N.


Mein Schatz, die Arme breit ich hie,

Komm her, ich will dich herzen.

Rukukukuku, Rukukukuku

O du verfluchtes Hexchen du.


J.


Nun steht das Wasser mir am Leib

Es macht mir böse Grimmen


N.


Mein Schatz, den Schmerz ich dir vertreib',

Wenn wir umarmet schwimmen.

Rukukukuku, Rukukukuku

O du armseliger Sünder du!


J.


Fatal steigt mir das Wasser an

Ganz kalt wird mir's im Magen


N.


Heran, in meinen Arm heran

Ich will gesund dich zwagen.

Rukukukuku, Rukukukuku

Der Bader eilt der Baderin zu.


J.


Zum Hals schon eilt das Wasser mir,

Mein Maul kriegt schon die Sperre,


[233] N.


Fort, Elender, welch schwach Gezier,

Welch eckelhaft Gezerre.

Rukukukuku, Rukukukuku

Sie hat ihn und wird noch gar grob dazu.


J.


Das Wasser fließt mir in den Mund

Lebwohl o Welt, ich sterbe.


N.


Hinab zieh ich dich auf den Grund,

Und oben lacht sein Erbe.

Rukukukuku! Rukukukuku!

Um Gotteswill Erbe lach nicht darzu.


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 1, München [1963–1968], S. 231-234.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Ausgewählte Gedichte
Märchen / Ausgewählte Gedichte (Fischer Klassik)

Buchempfehlung

Aristophanes

Die Vögel. (Orinthes)

Die Vögel. (Orinthes)

Zwei weise Athener sind die Streitsucht in ihrer Stadt leid und wollen sich von einem Wiedehopf den Weg in die Emigration zu einem friedlichen Ort weisen lassen, doch keiner der Vorschläge findet ihr Gefallen. So entsteht die Idee eines Vogelstaates zwischen der Menschenwelt und dem Reich der Götter. Uraufgeführt während der Dionysien des Jahres 414 v. Chr. gelten »Die Vögel« aufgrund ihrer Geschlossenheit und der konsequenten Konzentration auf das Motiv der Suche nach einer besseren als dieser Welt als das kompositorisch herausragende Werk des attischen Komikers. »Eulen nach Athen tragen« und »Wolkenkuckucksheim« sind heute noch geläufige Redewendungen aus Aristophanes' Vögeln.

78 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon