[18] Zuweilen brauchet die Familie
Als Suppenkraut die Petersilie. –
Und da nun grad Christine Dralle
Heut' morgen auch in diesem Falle,
So sieht man sie mit Wohlgefallen
In ihres Vaters Garten wallen. –
Herrn Knörrjes Garten liegt daneben;
Und ach! sie denkt an Knörrje eben.
Zu Anfang schätzt sie ihn als Lehrer,
Dann aber immer mehr und mehrer;
Und also schlich die süße Pein
Sich peu à peu ins Herz hinein. –
Die Liebe – meistens schmerzlich heiter –
Vergißt gar leicht die Suppenkräuter;
Sie liebt vielmehr die Blumenkelche,
Und auch Christine pflückt sich welche.
[18] Aurikel – Krokus – diese Guten
Sind so vereint, eh' sie's vermuten.
Christine aber läßt sich nieder
Unterm Flieder. –[19]
Herrn Knörrjes Neffe, der Eugen,
Hat dies mit Freuden angesehn;
Denn dieser Knab' von vierzehn Jahren,
So jung er ist und unerfahren,
Fühlt doch, obschon noch unbewußt,
Ein süßes Ahnen in der Brust. –
Behutsam schleichend, auf der Lauer,
Drückt er sich an die Gartenmauer;
Dann plötzlich macht er einen Satz,
Und – pitsch! – Christine kriegt 'n Schmatz.
[20] Und – schwapp! – da tönt's im tiefen Baß:
»Ha, Ungetüm, was ist denn das?!!« –
Herr Knörrje schlägt mit seinem Stabe,
Und tief gekränkt entflieht der Knabe.
Herr Knörrje aber faßt ans Kinn
Christinen, seiner Nachbarin.
Er hebt es leise in die Höh' –
Ach ja! und sie errötete! –[21]
»Hier diese Blumen, darf ich's wagen?«
Christine wagt nicht nein zu sagen.
Jetzt faßt er sanft ihr um das Mieder,
Ach ja! und sie errötet wieder.
[22]
Und jetzt, da gibt er gar zum Schluß
Dem guten Mädchen einen Kuß.
»Ade! und also so um zehn
Beim Bienenhaus! Auf Wiedersehn!«
Eugen, der horcht, bemerkt mit Schmerzen
Das Einverständnis dieser Herzen. –
[23]
Nun steht er da und schreit und lärmt:
»He! Nachbar, he! der Imme schwärmt!«
Buchempfehlung
In Paris ergötzt sich am 14. Juli 1789 ein adeliges Publikum an einer primitiven Schaupielinszenierung, die ihm suggeriert, »unter dem gefährlichsten Gesindel von Paris zu sitzen«. Als der reale Aufruhr der Revolution die Straßen von Paris erfasst, verschwimmen die Grenzen zwischen Spiel und Wirklichkeit. Für Schnitzler ungewöhnlich montiert der Autor im »grünen Kakadu« die Ebenen von Illusion und Wiklichkeit vor einer historischen Kulisse.
38 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.
430 Seiten, 19.80 Euro