[80] O Würden mir noch einst die angenemen Stunden,
Die ich mit Stehelin, durch gleichen Trieb verbunden,
Von gleichem Reiz gelockt, in meinem Vaterland
Den Schätzen der Natur vor diesem zugewandt;
Da wir in Wald und Busch uns oftermals verwirrten,
Und um den grünen Fuß des stolzen Blauen irrten!
Da war kein Platz an Lust, kein Raum an Nutzen leer.
Mein Auge sah vergnügt der Blumen buntes Heer,
Die eine reine Luft und nahen Himmel fühlen,
In tausendfachem Schmuck, in Tausend Farben spielen.
Da reckte manches mal aus dem bekannten Chor
Ein ungewohnter Strauch sein seltnes Haubt empor,
Und reizte meinen Freünd, mir durch geschickte Lehren
Den kleinen Wunderbau der Pflanzen zu erklären;
Da stellt Er, was dem Sinn sonst unerkänntlich war,
Ihr zärtestes Gespinst durch Gläser sichtbar dar.[81]
Bald sah ich Ihn bemüht, die Kraft gesunder Quellen,
Der Bäder innern Schatz, dem Auge vorzustellen,
Da Er das feste Band der Teilgen aufgelöst;
Ein stärkend Eisenerzt verkörpert hier entblößt;
Da ein eröffnend Salz, im innersten verstecket,
Und einen Schwefel dort, ein Heilungsöl entdecket.
Und, wenn wir dann vergnügt die Arbeit eingestellt,
So lockt ein heitrer Tag uns wieder auf das Feld.
Da ließ sich unserm Blick, zu neüer Lust und Lehre,
Ein seltsam Muschelvolk, die Bürger fremder Meere,
Auf hohen Bergen sehn. Da schloß ein Kieselstein
Oft eine ganze Brut gewundner Schnecken ein.
O Zeügen jener Flut, in harten Stein verkehret,
Daß ihr der zweyten Welt ein warnend Denkmahl wäret,
Wie, als die erste sich mit Sünden überhaüfft,
Ein schrecklich Strafgericht ihr frevelnd Volk ersaüfft!
Dann zog uns unser Trieb, die Klüfte zu befahren,
Die Werkstatt der Natur, gefüllt mit seltnen Waaren.
Da legt ein tiefer Schacht ein reiches Vorrahtshaus,
Metall und Stein vermischt, in krausen Klumpen aus.
Den blauen Amethyst mit blankem Erzt umkränzet,
Samt jenem Wunderstein, der in dem Dunkeln glänzet,
Und, wenn ein sachtes Feür allmählich ihn erhitzt,
In blaulich-hellem Schein gleich einem Sterne blitzt.
Da konnten wir zuletzt auch in den Tiefen spüren,
Wie oft Gestalt und Schein die Sterblichen verführen;
Wie sich ein reiches Erzt in grauen Kittel schmiegt,
Und schlechter Schwefelkies mit göldner Farbe triegt.
[82]
O möcht ich für und für mit innigstem Ergetzen
Die Schätze der Natur, gepaart mit andern Schätzen,
In Badens Gränzen sehn: sein Glücke nie gestört,
Sein Land an Segen reich; und, was sein Boden nährt,
Verbessert durch den Fleiß, mit klugem Raht genützet,
Und durch Gesätz und Recht gesichert und beschützet!
Dann sollt ein neüer Trieb mir durch die Adern gehn,
Und mein gesuncknes Lied zu neüer Kraft erhöhn.
Getrost! mein Wunsch gelingt. Ein günstiges Geschicke
Versichert meine Lust in meines Landes Glücke.
Schau, wertes Baden, an, was dir der Himmel schenkt!
Wohin mein Auge nur die frohen Blicke lenkt,
Erscheint dein Segensstand; die ährenreichen Felder;
Die Wiesen reich an Klee; an Holz und Wild die Wälder;
Ein fettes Rinderheer, bestimmt zu deiner Kost;
Der Wasser Schuppenvolk; der Hügel Nectarmost.
Der Berge Gipfel schmückt gewürzter Kraüter Mänge,
Und mancher Heilungsbrunn durchrauschet ihre Gänge;
Und, wenn in deinem Kreis der Sonnen schwächre Kraft
Schon keinen Demant reifft, und deiner Klüfte Saft
Zu keinem Golde kocht, so bist du doch dargegen
An andern Erzten reich; so hat des Himmels Segen
Ein blankes Eisen dir in Fülle zugezählt,
Das jenes nackte Volk vor allem Golde wählt.
Sein Witz beschämet uns. O daß doch so bedöhret
Der Mensch sein bestes Erzt in Mordgewehre kehret!
O möchte wenigstens ihr Vorwurf nur allein
Ein raüberischer Wolf und wilder Hauer seyn,[83]
Und keine Frevelhand, begihrig aufs Verderben,
Den unschuldsvollen Stahl in Menschenblute färben!
Dann würde Baden auch, (o möcht es stets geschehn!)
Durch seiner Fürsten Huld sein Glücke blühend sehn,
Bey frölichem Genuß den guten Himmel preisen,
Und ein gesegnet Land vor Tausend Ländern weisen.
Was kan auch sonsten mehr, als strenge Kriegeswut,
Das Blut der Zäringer, das königliche Blut,
An dem ererbten Trieb zu stetem Woltuhn hindern,
Und unsern Segensstand bey solchen Fürsten mindern?
Schau Heil und Sicherheit durch Ihren Arm gestützt;
Der Kirche reines Wort; der Bürger Recht beschützt;
Von keinem strengen Joch Ihr treües Volk gedrücket;
Das Land gebaut und schön; die Wege neü-geschmücket!
Es trabt der muntre Gaul getrost auf ebner Bahn,
Und kündigt seine Lust mit frohem Wiehern an.
Der Reiter darf nicht mehr gefahr und Stürzen scheüen;
Der rohe Fuhrmann selbst verlernt sein wildes Schreyen,
Vergißt je mehr und mehr der Geisel strenge Zucht,
Und segnet nun den Weg, dem er zuvor geflucht.
Die Räder rollen sanft und zeichnen ihre Reise
Mit einem leichten Strich und nicht mehr tiefem Gleise.
Ein Fluß, der oft erzörnt aus seinem Ufer drang,
Und Wagen, Mann und Pferd in wilde Strudel schlang,
Vermerkt sich unverhofft gezähmt durch Damm und Brücken,
Und läßt den Wandersmann nun über seinen Rücken[84]
Mit sichern Schritten gehn. Kein ausgeworfner Sand
Verwüstet, wie zuvor, das umgelegne Land.
Es schaut der Reisende des Wolstands holde Zeügen,
Gebaüde mancher Art aus mancher Gegend steigen,
Nicht dürftig, nicht zu stoltz, mit Mäßigkeit geschmückt,
Und zu bequemem Brauch vernünftig angeschickt.
Oft fängt ein kleiner Herr sich mächtig an zu brüsten,
Und meynt sich noch so groß, wenn sich auf sein Gelüsten
Ein ungemeßner Bau aus seinem Boden streckt,
Und bald den halben Raum von seinem Ländgen deckt.
So steht ein Riesenkopff auf einem Zwergenleibe.
Wie aber gehts zuletzt dem teüern Zeitvertreibe?
Der Untertahn verarmt; dem Herren fehlt das Geld;
Die Arbeit stecket sich; der Wunderbau zerfällt;
Bald soll der Pflug aufs neü in seinen Gränzen spielen,
Und durch den teüern Schutt zerknirschten Marmors wühlen.
Hier wird Gebaü und Lust dem Fürsten nie vergällt,
Weil kein erpreßtes Ach an Hof und Mauern prellt,
Noch der Palläste Zahl der Länder Mark verschlinget,
Und ein erarmtes Volk aus seinen Hütten dringet.
Bescheidne Masse dient zum steten Augenmerk;
Und Nutzen und Gebrauch veredeln jedes Werk.
Auch ich geniesse nun der lang gewünschten Freüde:
Was meiner Hut vertraut, beschirmt ein fest Gebaüde,
Das der verblichne Carl, auch in Gebaüden groß,
Eh Ihm die Todesnacht Sein wachsam Auge schloß,[85]
Zur Letzte noch befahl, vor künftigen Gefahren
Der Schriften teüern Schatz gesichert zu bewahren.
Wie manche Kirche steigt aus ihrem Schutt hervor!
Die Türme strecken sich in neüem Schmuck empor;
Der Spitzen Schimmer blinkt zurings um in die Ferne,
Und ein entlegnes Land bemerkt die neüen Sterne,
Dieweil der Glocken Klang durch die gerührte Luft
Das umgeseßne Volk zum Andachtsopfer rufft.
Hier steht ein Waisenhaus mit ungespahrtem Fleisse
Der Armut aufgebaut. Der Saügling, satt von Speise,
Erfährt nicht, daß er erst der Muter Brust verlor,
Und ein gebückter Greis sitzt lächelnd an dem Thor.
Die Sorgfalt wacht allhier auch bey des Bettlers Bette;
Der arme Kranke ruht auf sanfter Lagerstätte;
Verpflegt, erquickt, erfrischt vergißt er seiner Pein,
Und mängt den heissen Wunsch in seine Seüfzer ein:
O gib dem Fürsten, Herr! o gib Ihm Heil und Segen,
Der so für Kranke sorgt! Doch, weil das Unvermögen,[86]
Weil wahre Schwachheit stets die Hülfe fröhlich kennt,
Wird fauler Müssiggang Gesunden nicht vergönnt.
Ein Kind, das erst die Hand recht ohne Wanken führet,
Und mit gewissem Tritt den Boden erst berühret,
Erleichtert sich bereits durch Arbeit seine Noht,
Und ißt mit frohem Muht sein selbst erworbnes Brot.
Kein Dürftiger verzagt, wenn Noht und Hunger schrecken;
Der Landesvater läßt ihn nicht in Mangel stecken.
Schau, wie der bleiche Gram den Wucherer verzehrt,
Den Teürung fett gemacht, und Mißwachs oft ernährt,
Wenn sein gehaüfftes Korn, den Armen abgedrücket,
Ihm kein gedoppelt Geld mehr in die Kisten schicket.
Betrug und Falschheit wird durch Vorsicht eingeschränkt,
Der Segen, den uns oft ein guter Himmel schenkt,
Zum Vorraht eingelegt, der bey besorgter Teüre
Nach Nohtdurft ausgeteilt, dem nahen Mangel steüre.
Der Wälder reiche Frucht, der Holzung Kostbarkeit
Enhielt ein bergicht Land, mit Felsen überstreüt,
In dessen Wildniß kaum sich eine Deichsel waget.
Der arme Landmann sah, von strengem Frost geplaget,
Den ungenoßnen Schatz von ferne seüfzend an;
Des Fürsten Sorge dacht auf eine neüe Bahn:
Bald leiht ein wilder Bach ihm seinen dienstbarn Rücken,
Mit der Gebirge Frucht die Länder zu beglücken.
Ein frohes Volk begrüßt die segensreiche Flut,
Und nimmt mit Tausend Lust das mitgebrachte Gut[87]
Von ihren Wellen ab, wenn Schnee und Winde stürmen,
Sich vor der Kälte Grimm bey sanfter Glut zu schirmen.
Hier war ein sumpficht Land, bedeckt mit Schilf und Rohr,
Der Frösche Wohnungsplatz, woraus der laute Chor
Sich quackend hören ließ durch manches Sommers Länge.
Der Vater Rhein empfieng durch ausgeworfne Gänge,
Worein das viele Naß gesammelt abwerts floß,
Den feüchten Uberfluß in seinen tiefen Schooß.
So bald erschien das Land in einem neüen Kleide,
Geschmückt mit fettem Klee und nahrungsreicher Waide,
Die mit gesunder Milch die satten Eüter füllt.
O wenn der Himmel nur mein heisses Sehnen stillt,
Und uns den Frieden läßt zu keiner Zeit gebrechen,
So sollte Baden nie von Noht und Mangel sprechen.
Schau andre Völker an! Schau das berühmte Land
Dort um den Tyberstrom und am Tyrrhener-Strand
Von der Natur beglückt vor Hundert andern Reichen!
Ist auch sein Glücke wol dem Deinen zu vergleichen?
Obschon ihm für und für ein milder Himmel lacht,
Und seinen holden Kreis zu einem Eden macht;
Ob seine Baüme schon mit göldnen Aepfeln prangen,
Und Reben beßrer Kraft an seinen Ulmen hangen.
Doch wie? wenn auf einmal, von innerm Brand entsteckt,
Ein wütender Vesuv mit Rauch und Flammen schreckt,[88]
Die Luft mit Aschen schwärzt, und bald aus seinem Rachen
Metall und Stein vermängt mit ungeheuerm Krachen
Zu rings um von sich schmeißt; bald nach verstärkter Glut
Sein schmelzend Eingewaid, als eine Feüerflut,
Die Gegend überschwemmt, den schönen Kreis verheeret,
Und Menschen, Saat und Feld in schneller Wut verzehret
Wenn der erzörnte Schooß der Erden sich bewegt,
Und aus dem tiefen Grund ein grauser Donner schlägt,
Palläst und Türme stürzt, der Städte Pracht zerstücket,
Und oft ein ganzes Volk durch ihren Schutt erdrücket;
Wenn mit gehaüffter Last der Untertahn gequält
In strenger Sclaverey die Tage seüfzend zählt,
Verhungert bey dem Korn, nach rauhen Wurzeln gräbet,
Und unter stetem Fluch im Paradise lebet;
Wenn Aberglaub und Wahn dem Mangel sich gesellt,
Die Kinder nahrungslos ihr väterliches Feld,
Nunmehr der Mönche Raub, erschwatzt mit frommen Lügen,
Für die geweihte Zunft der Müssiggänger pflügen:
Alsdann erkennst du erst, durch fremde Noht gelehrt,
Den Vorzug deines Glücks und deiner Schätze Wert;
Da wirst du, wolvergnügt mit deinem Wolergehen,
Um keine Güter mehr, als um den Friden, flehen.
Denn, gibt die Allmacht nur noch diesem Wunsche Platz,
So soll der Künstler Fleiß, der Handlung reicher Schatz,
Gewerbe mancher Art in unsern Gränzen blühen,
Und Tausend Hände mehr für Baden sich bemühen.
Dann blieb, o wertes Land! dein Wolstand unverrückt;
Dein Fürstenhaus im Flor; der Untertahn beglückt;[89]
Ernährt, dieweil er lebt; vergnüget beym Erblassen,
Sein lang genoßnes Feld dem Sohne zu verlassen.
Doch welch ein Donnerschlag betaübt mir Ohr und Geist?
Ist Carl der Sechste todt, und unser Reich verwaist?
O was für Wetter ziehn sich über uns zusammen!
Wie droht der Himmel schon mit neüen Zornesflammen!
Du Macht, die alles schafft, und alles lenken kan,
Sih ein erschrocknes Land auch jetzo gnadig an,
Und halt den nahen Strahl von unserm Haupt zurücke!
Gib unserm vierten Carl, zu Seines Volkes Glücke,
Gib Seinem Fürstenstamm noch länger sichre Ruh!
Dann sende, wenn du willt, mich meinen Vätern zu!
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
|
Buchempfehlung
Epicharis ist eine freigelassene Sklavin, die von den Attentatsplänen auf Kaiser Nero wusste. Sie wird gefasst und soll unter der Folter die Namen der Täter nennen. Sie widersteht und tötet sich selbst. Nach Agrippina das zweite Nero-Drama des Autors.
162 Seiten, 8.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro