[Den Menschen ist an mir ein merkliches gelegen]

[99] Die andern lacheten ob der seltzamen Beschreibung/wiewohl sie das Beschriebene nicht errahten konden. Damit sie aber Periandern zu dessen Auflössung vermögeten/ fiengen sie an/ ein ieder auch eines zu erzälen/ so gut es ihnen in der Eil ihre Gedanken eingaben/ folgender massen:


Strephon.


Den Menschen ist an mir ein merkliches gelegen.

Ich habe viel verderbt: doch auch viel gut gemacht.

Man schafft mit mir zumahl viel Nutzen bey der Nacht/

Der an dem Tag bricht auß. Ich führe meinen Degen.

In einer rohten Scheid: Mit diesem wehr ich mich.

Es närt mein ärgster Feind an meinem Tische sich.

Die ich Großmutter heiß'/ ist ihres Sohnes Schwester:

Vnd Tochter ihres Manns. Trutz einem/ der mich läster'.


Montano.


Vor Anbegin der Welt ward ich zur Welt gebracht.

Durch mich hat man zuerst die Sternsehkunst erdacht.[99]

Bin nichts/ und etwz doch. Ein Jüngling/ an dē Morgen.

Mittags/ ein kleiner Knab. Des Abends/ als ein Mann.

Nachts/ wie die halbe Welt. Diß Gantz' ist meine Bahn.

Ich lauf' ohn Leben fort. Ein kurtzer Artzt der Sorgen.

Man sucht und hat mich schon. Ich folge/ wann man flieht:

Vnd fliehe/ wann man folgt. Nochwerd ich nimmer müd.


Klajus.


Sobald ich werden soll/ muß meine Mutter sterben:

Alsdann so wirkt mich erst mein Vatter vollends aus.

Vollendet/ bin ich nur ein todtes Ding und Haus:

Doch kan mir männiglich das Leben bald erwerben.

Ein Hauch beseelet mich/ und tödet mich auch wider.

Ich bläh mich blötzlich auf. Auf den Pantoffelfuß/

Der mir am Halse steht/ erleid ich manchen Kuß.

Es tastet meinen Bauch/ und hälset mich ein ieder.


Floridan.


Dem Weibesvolk bin ich lieb. Das zauset meinen Bart/

Vnd küsst/ und tätzelt mich. Ich werde täglich kleiner:

Bis daß ich gar erstirb. Nicht leicht entbärt man meiner.

Ich leb nach meinem Tod. Was hunderten nicht ward/

Genieß' ich täglich dann: indem ich künlich hertze

Die zarte Jungferhaut.1 Ich trieb mit ihnen Schertze

Bey Tag und auch bey Nacht. Bin ich denn abgemutzt/

So mach ich/ daß ein Mann die Ewgkeiten trutzt.2

Fußnoten

1 Hemd.


2 Papier.


Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer/ Sigmund von Birken/ Johann Klaj: Pegnesisches Schäfergedicht. Tübingen 1966, S. 99-100.
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