Der 5. Absatz.

Von dem Heil. Seiten-Blut Christi auf Erden.

[257] Als unser Göttliche Heyland an dem H. Creutz verschiden ist / und sich bereits für die Erlösung der Welt aufgeopfferet hat / da wolte er auch noch den verborgenen Schatz seines Hertzens uns zum Besten geben.64 Zu diesem End ließ er geschehen / daß Longinus, ein Römischer Hauptmann / ihm sein H. Seiten biß das Hertz mit einem Speer oder Lantzen durchstach / darauß alsobald Blut und Wasser geflossen ist: und als die Augen des Longini, welche gantz blöd und trüb waren / ungefähr damit berührt wurden / da wurden sie so gleich gantz hell und klar. Von diesem und anderen bey der Creutzigung Christi geschehenen Wunderwercken / ward Longinus auch innerlich erleuchtet / also daß er Christum gleich offentlich für GOttes Sohn erkennt und bekennt hat / diese Glaubens-Bekanntnuß aber zu seiner Zeit mit eigner Handschrifft / und endlich mit Vergiessung seines Bluts bekräfftiget hat.

Das abfliessende kostbare Blut aber hat er mit einem Schwammen aufgefaßt / und selben hernach in ein bleyenes Trühlein ausgedruckt / und fleißigist aufbehalten. Forthin gesellte er sich zu denen Jüngeren Christi / von welchen er in dem Glauben unterrichtet /getaufft / und samt ihnen verfolgt worden ist.

Bald hernach wurde er neben anderen Christglaubigen aus gantz Judenland vertrieben / und gelangte wunderbarlich über das Meer in Italien an / allwo er mit grossem Eyfer und Nutzen / absonderlich zu Mantua / den wahren Glauben verkündigte / und allzeit seinen kostbaren Schatz / verstehe das H. Blut / sorgsam bey sich verwahrte.

Weilen aber auch da ein hefftige Verfolgung wider die Christen entstunde / und Longinus nunmehr zur Marter-Cron beruffen wurde / so hat er den theuren Werth unserer Erlösung fürsichtig in einem bleyenen Küstlein / dieses aber in einem höltzenen / und endlich das höltzene in einem steinenen Särchlein eingeschlossen / und tieff in die Erden vergraben / mit nachfolgender in das bleyene Trühlein eingestochnen Uberschrifft: Ich Longinus, geweßter Hauptmann unterm Landpfleger Pilato, glaubend an JEsum /so von Händen unserer Soldaten gecreutziget worden / hab dieses aus seiner Seiten geronnene Blut aufgefangen / und wegen der Feind des Glaubens / so Christum lästerten / an dieses Ort vergraben / biß GOtt gefallen wird / solches seinen wahren Dieneren zu offenbahren.

Nach wohl versorgtem diesem kostbaren Schatz ist Longinus endlichen[257] unter dem Landpfleger Octaviano um des Glaubens willen enthauptet / und ein glorreicher Martyrer worden. Von dessen Todt an ist dieser kostbare Schatz lange Zeit allen Menschen unbekannt und verborgen blieben / biß das Kayserthum in Occident ist eingeführt worden: bey dessen und des neuen Kaysers Caroli Magni glücklichen Eingang hat der gütige GOTT diesen urvergleichlichen Schatz durch grosse Wunderzeichen wiederum offenbahr gemacht. Der neue Kayser aber hat für gut erachtet / daß ein so wichtige Sach von dem höchsten Oberhaupt der Kirchen selbst solle untersucht und erkundiget werden. Er batte deßwegen den Pabst Leo den Dritten /daß er als ein Zeug und Richter nacher Mantua / die Wahrheit gründlich zu erfahren / kommen möchte: welches er auch gern gethan / und um das Jahr 804. nacher Mantua sich begeben hat / allwo er die grosse Wunder selbst erfahren / und mit Augen gesehen hat. Er erhebte demnach diesen unendlichen Schatz / verehrte ihn / und stellte ihn männiglich zu verehren für.

Mittler weil aber ward Italien bald von denen Saraceneren / bald von anderen Empörungen und schweren Kriegen beunruhiget / massen unterschiedliche Fürsten um das Reich gestritten haben. Deßwegen ist für nöthig erachtet worden / dieses allerheiligste Seiten-Blut Christi mit Wissen etlich weniger Personen wiederum in die Erden zu vergraben. Nachdem nun selbige Personen abgestorben seynd / da ist dieser kostbare Schatz abermahlen lange Zeit in der Erden verborgen und unbekant gebliben / biß auf die Zeit Pabsts Leo des IX. und Kayser Heinrichs des III. unter dero Regierung neue Miracul durch Erdbedem /himmlische Liechter / wunderbarlichen Geruch und andere Zeichen / als wie vor diesem Anmahnung gethan haben / den verborgnen Schatz wiederum aufzusuchen.

Es ware damahls zu Mantua ein blind-gebohrner /aber gottseeliger Mann / Adalbero mit Nahmen: diser wurde in 3. unterschiedlichen Nächten von dem Heil. Apostel Andrea / der ihme erschienen ist / ermahnt /wo und wie man das HH. Blut wiederum suchen soll /und finden werde durch Anführung eines Blinden /deme auch dardurch das Gesicht wiederum solle gegeben werden.

Als nun der blinde Adalbero auf Befehl des Apostels die Sach dem H. Martiali, damahligen Bischoffen zu Mantua hat angezeigt / ware diser voll der Freuden / und thäte es alsobald dem Pabst (der damahls in Teutschland bey dem Kayser Heinrich sich aufhielte) zu wissen: worauf beyde / der Pabst und Kayser eilends und mit Freuden neben anderen Fürsten und Herren nacher Mantua sich begaben. Allda hat Adalbero in Gegenwart dieser höchsten Häupter /viler Bischöff und Cardinälen lang gegraben / und endlich den verborgnen Schatz / welcher etlich Ellen tieff in der Erden lag / entdecket / und Pabst Leo denselben würcklich erhebt: worbey ein überaus lieblicher Geruch alle Anwesende ungemein erquickte. Es heilete auch die übernatürliche Krafft / so von dem HH. Seiten-Blut ausgienge / allerhand Krancke und Presthaffte / deren ein überaus grosse Anzahl von allen Orten herzugegen ware: unter welchen auch der blind-gebohrne Adalbero das Augen-Liecht erhalten hat.

Bey würcklicher Erhebung dieses unendlichen Schatzes / da alle Krancke / Krumme / Lahme / Blinde / Stumm- und Taube gesund wurden / schrye alles Volck mit freudigen Zäher einhellig auf: Barmhertzigkeit! Barmhertzigkeit! alle waren mit einem heiligen Trost / Schröcken und Verwunderung erfüllt. Des anwesenden Volcks ware so vil / daß gantz Mantua es nicht fassen kunte / sondern der Pabst mußte auf freyem Feld daraussen das Ampt der H. Meß halten.

Aber nachdem die höchst-feyrliche Erhebung des HH. Bluts vollendet war / da erhub sich ein starcker Streit zwischen dem Pabst und denen Mantuaneren /welchem Theil forthin diser[258] kostbare Schatz zu verwahren und zu behalten solte anvertraut und überlassen werden. Der Pabst behauptete / dieses köstliche Kleinod gebühre niemand anders als ihme / dem höchsten Haupt der gantzen Christenheit / und wolte es mit sich nacher Rom nemmen / die Mutter-Kirchen und fürhmste aus allen darmit zu zieren. Die Mantuaner hingegen samt ihrem Bischoff wolten es durchaus nicht lassen / und widersetzten sich auf alle Weiß /vorgebende / daß GOTT ja selbsten klärlich ihnen vor allen anderen Völckeren diesen Gnaden-Schatz beschehret und verlyhen habe / und selbiger ohne grosse Unbild ihnen nicht könne entzogen werden. Endlich nach langem Streit stellte man Gebett und Fasttäg an /den Göttlichen Willen hierüber einzuholen. Es gabe auch GOTT dem Kayser in Sinn / daß er dem Pabst und denen Mantuaneren den folgenden guten Rath und Einschlag gegeben hat: Es solle nemlich dieser kostbare Schatz im Frieden getheilt werden / weilen ja ein jeder auch mindiste Theil eines unendlichen Werths seye / und also möge Rom den einen Theil empfangen / und gleichwohl Mantua den anderen behalten: mithin habe weder die Haupt- und Mutter-Kirch zu Rom sich zu beklagen / daß sie von einer anderen in etwas übertroffen werde / noch die zu Mantua / daß ihr etwas ermangle. Dieser Rath und Vorschlag gefiele allen wohl / er wurde einhellig mit Freuden angenommen / und also der gefährliche Streit aufgehoben / ja auch dem Kayser / als Mittler und Schiedmann / ist ein Particul darvon verwilliget worden. Es nahme also der Pabst seinen Theil / welchen er zu Rom herrlich hat eingeführt / und solle selbiger in das Sanctum Sanctorum, wo die allerheiligste Sachen aufbehalten werden / übersetzt worden seyn. Der andere Theil wird zu Mantua annoch würdiglich aufbehalten zum Trost und Nutzen der Glaubigen in dem Gottshauß / welches mehrermeldter Pabst Leo zu Ehren des HH. Bluts Christi / und des H. Apostels Andreä hat erbauen lassen / und denen Benedictineren eingeraumt.

Der Kayser Heinrich schätzte seinen Theil / wie billich / höher als das gantze Kayserthum / und führte ihn zum Trost und zur Beyhülff all-seiner Müheseeligkeit- und Gefahren überall mit sich: Endlichen aber / da er in das Todtbeth kommen / verehrte und vermachte er selben seinem Freund Balduino, dem Marggraffen in Flandern. Unter dem Schutz und Seegen dieses HH. Bluts regierte Balduinus sein Land und Leuth gar glücklich. Er hatte auch eine Tochter / Juditha mit Nahmen / welche er Tostico, einem König in Engelland vermählet hat: Tosticus aber wurde von seinem Bruder Haraldo mit Krieg überzogen / und ist in einer Feld-Schlacht umkommen. Juditha die Wittib aber Betrübnuß-voll begab sich wiederum zu ihrem Herrn Vatter in Flanderen / von welchem sie endlich in seinem Todtbeth mit disem Hochheiligen Schatz / um den sie so inständig angehalten und gebetten hat / ist beschencket und erfreuet worden.

Nach Balduini Ableiben hat Guelfo der IV. diß Nahmens Herzog im Nordgöw gedachte Juditham zur Ehe genommen. Es war aber dieser Guelfo in gantz Teutschland sehr mächtig / auch neben Pipino (welcher des grossen Kaysers Caroli Vatter gewesen) ein Stiffter des Gottshauß Weingarten. Dieser entschlosse sich in das heilige Land nacher Jerusalem zu reisen /und GOTT für die erhaltene Sieg wider seine Feind zu dancken. Zuvor aber ist er samt seiner Gemahlin Juditha in das Closter Weingarten kommen / und sich in das Gebett der Religiosen inständig befohlen / mit Begehren / daß / wann er auf seiner so schweren und weiten Reiß sterben solte / sein Leib nirgends anderstwo als zu Weingarten bey seinen lieben Vor-Elteren solte begraben werden: welches auch geschehen ist / massen er in der Insul Cypern gestorben / seine Gebein aber in das Teutschland überbracht / und in das Grab seiner Vorfahrer seynd gelegt worden.[259]

Eben / als dieser gewaltige Fürst zu Weingarten seinen Abschied nahme / hat Juditha aus Andacht den Particul des HH. Seiten-Bluts Christi / unter dem Abbt Walichone dem Gottshauß Weingarten verehrt und zugeeignet um das Jahr 1090. welches HH. Blut nicht (wie in einigen anderen Orten geschehen) aus einer consecrirten Hosti oder Crucifix-Bild entsprungen ist / sondern es ist das wahrhaffte / gewiß- und pure / mit einiger anderen Materi unvermischte Blut Christi / welches an dem Heil. Creutz aus seiner durchstochenen heiligsten Seiten geflossen ist. Diese Wahrheit ist bißhero unstreitig von unterschiedlichen Päbsten nach genauer Untersuchung erkennt / durch Zeugnuß viler Heil. Männer und bewährten Scribenten / auch durch vil Miracul und Wunderzeichen bestättiget und bekräfftiget worden.

Demnach wird da in dem Benedictinischen Reichs-Gottshauß Weingarten / Costantzer-Bistums in Ober-Schwaben gelegen / dieser kostbare Schatz / verstehe / der nahmhaffte Particul des HH. Seiten-Bluts Christi JEsu / bereits über die 600. Jahr zu allgemeinem Trost und Nutzen der Glaubigen mit höchster Ehrerbietigkeit verwahret und aufbehalten.65 Es ist dieser Particul vor wenig Jahren aus dem alten in ein neues von Crystall und purem Gold / mit köstlichen Edelgesteinen reichlich versetztes Gefäß übersetzt worden /in welchem er zu seiner gewissen Zeit auf dem Altar offentlich zur Verehrung ausgesetzt / und cultu latriæ angebettet / das ist / mit Göttlicher Ehrbeweisung verehret wird / auch gar offt das Jahr hindurch jedermänniglich / bevorab denen Wallfahrteren und Frembden gezeigt / und jedem insonderheit vorgewiesen / und darab zu trincken gegeben / das ist / ein mit dem Heil. Blut benedicirter Wein gereicht wird. Mithin ist es billich für ein beständiges Wunder zu halten / daß dieses Heil. Blut (welches coagulirt / oder gestocket und einer länglechten Form ist) durch so vil tausendfältiges Bewegen und Schüttlen dannoch in so langer Zeit im geringsten nicht verstossen / oder zu einem Staub zermahlen wird / sondern allzeit gleich und unversehrt bleibet.

Das Festum Solemne der Erfindung des Heil. Bluts cum Missa propria & Officio Canonico wird jährlich sub ritu duplicis primæ Classis den 12. Mertzen /gleichwie zu Mantua / gehalten: an welchem Fest der Concurs des andächtigen Volcks so groß ist / daß gemeiniglich an selbem Tag etliche tausend Communicanten gezehlt werden / und der Gottsdienst mit Beichthören und Speisen biß Nachmittag um 2. Uhr continuirt wird.

Die anderte Festivität / so jährlich zu Ehren dieses hochheiligen Schatzes angestellt wird / bestehet in dem so genannten solemnen H. Blut-Ritt / der allzeit am Freytag nach der Himmelfahrt Christi gehalten wird / da nemlich das HH. Blut von einem Religiosen des Gottshauß / der von anderen Geistlichen begleitet wird / zu Pferd durch die umligende Felder (selbige zu benediciren) in einem Bezirck von beyläuffig 2. Stunden herumgeführt wird / an 4. bestimmten Orten der Seegen darmit gegeben / und ein langer sehr kräfftiger Exorcismus contra aereas potestates etc. gesprochen wird. Dieser Ritt geschieht an einem Vormittag / und werden etliche Stunden darmit zugebracht / inmassen ein überaus grosse Menge des andächtigen Volcks sich darbey einfindet / und gemeiniglich 4. biß 5000. Pferdt bey diesem Ritt gezehlt werden; dann fast alle benachbarte Herrschafften auf etlich Meil weit schicken ihre Unterthanen in grosser Anzahl / welche in Compagnien ausgetheilt / erscheinen / mit ihren Officier und Standarten / theils auch mit Trompeten und Paucken versehen seynd: Noch ein grössere Menge Volcks beyderley Geschlechts gehet zu Fuß mit: da dann alle so wohl Reutend- als Gehende mit beständigem Betten anhalten / und weder von der Sonnen-Hitz noch Regenwetter sich darvon abschröcken lassen.[260]

Zu der Verehrung des HH. Bluts gehöret (neben der mit Päbstlicher Authorität errichteten / und mit grossen Ablassen begabten Bruderschafft) annoch die löbliche Gewohnheit / daß / so offt zu Sommers-Zeit ein Hochgewitter sich begiebet / wann es auch mitten in der Nacht ist / oder in einer Nacht öffter als einmahl geschiehet / da versammlen sich die Religiosen in der Kirchen / allwo man mit dem HH. Blut das Wetter seegnet / und vil schöne Gebetter spricht mit so gutem Effect und augenscheinlicher Würckung /daß gemeiniglich das bedrohende Gewölck sich alsobald vertheilt oder verziehet / und denen Felderen des Gottshauses in der Nachbarschafft mit bevorstehendem Schaur oder Hagel verschonet.

Es hat auch vor Zeiten (als der Christliche Eyfer noch grösser / und der Welt-Pracht geringer ware) nicht ermangelt an grossen Fürsten und Herren / die von fern daher gereißt / dises Göttliche Liebs-Pfand zu besuchen / und gegenwärtig zu verehren. Wie dann Rudolphus I. als er das Kayserthum angetretten / persönlich mit seiner Gemahlin und Kayserlichen Kinderen auf Weingarten kommen ist / sich und all die Seinige da in den Schutz des Allerhöchsten / durch den Werth des HH. Bluts anmüthigist befohlen hat etc. Ein mehrers von diesem kostbaren ja unendlichen Schatz wird in einem hiervon eigentlich verfertigten Tractätlein zu ersehen seyn.

Ich nenne das allerheiligiste Seiten-Blut nicht ohne Ursach öffters einen kostbaren Schatz / inmassen es der so theure / ja unendliche Werth unserer Erlösung ist: habemus redemptionem per sanguinem ejus.66 Kostbar ist es über Silber und Gold / non corruptibilibus auro vel argento, sed pretioso sanguine redempti estis.67 Das HH. Seiten-Blut ist ein kostbarer Schatz / dieweilen ein einziges Tröpfflein desselben genug wäre aller Menschen Sünden abzuwaschen /die Schulden zu bezahlen / und den Himmel zu erkauffen: kostbarer ist es / als thesaurus infinitus hominibus, quo qui benè usi fuerint, participes facti sunt amicitiæ Dei: ein unendlicher Schatz denen Menschen / die sich dessen gebrauchen / die werden theilhafftig der Liebe und Freundschafft Got tes. Kostbarer ist es / als ein unschätzbares Edelgestein / welches der himmlische Bräutigam Christus der HERR aus der innersten Schatz-Kammer seines Göttlichen Hertzens herauß genommen / und selbes seiner Gesponß / der Catholischen Kirchen zum Angedencken / und zu einem sonderbaren Liebs-Zeichen geschenckt und hinterlassen hat. Es wolte sich nemlichen also geziemen / daß Sponsus Sanguinum, der Blut-Bräutigam seiner geliebtisten Braut / quam acquisivit sanguine suo, die er mit seinem eignen Blut erworben hat / kein andere Arrham oder Braut-Geschenck / als eben diesen Blut-Schatz auf eine unzertrennliche Ehe gebe und schencke.

Es ist auch dieses HH. Blut gleich einem kostbaren sehr wohlriechenden und heilsamen Balsam / die menschliche Seel darmit zu stärcken / und ihre tödtliche Wunden zu heilen.68 In Judæa oder Egypten ist ein Balsam-Gärtlein zu finden / in welchem die Balsam-Bäumlein bey der Sommer-Hitz müssen mit eisenen Messerlein geschnitten und durchbohret werden /alsdann bindet man Schaalen an die Aestlein / worein der Balsam tropffnet / der unterschiedliche Kranckheiten und Wunden zu heilen tauget. Ein solcher Balsam-Baum ist Christus an dem Creutz / allwo er in der grösten Hitz der Lieb mit eisenen Näglen und Lantzen ist durchschnitten und durchbohret worden /und also ist der edliste und kostbariste Balsam des HH. Bluts aus seinen Wunden geflossen / welches /wann es in denen Schaalen der andächtigen Hertzen aufgefangen und applicirt wird / alle auch tödtliche Kranckheit- und Wunden der Seelen heilet. Also daß Christo dem Gecreutzigten gar wohl das Symbolum oder die Sinnschrifft kan zugeeignet[261] werden: vulnere vulnera sano: die Wunden heilt d'Wunden. Dann wie der Heil. Augustinus anmercket / so hat Christus also wollen sterben / daß er eben mit seinem Blut die Vergiesser seines Bluts hat heilen wollen: Und der H. Bernardus: Der Sohn GOttes wird getödtet /auf daß er mit dem kostbaren Balsam seines Bluts meine Wunden heile.69

Wie die Naturalisten vorgeben / so werden die Schlangen unter dem Schatten des Balsam-Baums ihres Giffts beraubt / also / daß sie da niemand schaden können: aber die höllische Schlang / die mit dem tödtlichen Gifft der Sünden das menschliche Geschlecht angesteckt und vergifftet hat / wird geschwächt und aller Kräfften beraubt durch den Schatten / durch den Schutz des sittlichen Balsam-Baums /das ist / Christi des Gecreutzigten / indem er uns ein so köstlich- und kräfftiges Bewahrungs-Mittel / nemlich den Balsam seines Bluts an die Hand gibt / und dardurch von Sünden und Straff befreyet.

Ein schöne Figur oder Vorbedeutung ist dessen gewesen in dem Alten Testament / da GOtt zu dem Moysi und Israelitischen Volck gesprochen hat: Erit sanguis vobis in signum in ædibus, in quibus eritis, & videbo sanguinem, & transibo vos, nec erit in vobis plaga dispergens, quando percussero terram Ægypti:70 Das Blut soll euch zum Zeichen seyn in denen Häuseren / darinn ihr wohnet / damit /wann ich es sihe / vorbey gehe / und die Plag euch nicht verderbe / wann ich Egypten straffen werde. Diese Wort seynd dem Buchstaben nach vermeint gewesen auf die Kinder Israel in der Egyptischen Dienstbarkeit / und geredt worden von dem Blut des Osterlamms / mit welchem die Thür-Schwellen der Häuser der Israeliter mußten bestrichen werden / dieselbige zu unterscheiden von den Wohnungen der Egyptier / die folgende Nacht von dem Engel GOttes solten getödtet werden: aber geistlicher Weiß ist es zu verstehen / und wird erfüllet an denen gottseeligen Christen; dann hic sanguis erit vobis in signum, das kostbare Blut des wahren Lamms GOttes / das HH. Seiten-Blut Christi JESU / das soll und wird euch seyn zu einem Zeichen des Heyls und der Erlösung / in domibus, in quibus eritis, wann eure Häuser / oder vilmehr eure Hertzen darmit bestrichen und gezeichnet seynd / das ist / wann ihr die schuldige Ehrerbietung darzu traget / wann der gute Geruch dieses Göttlichen Balsams in euren Hertzen sich ausgiesset / alsdann sagt GOtt der HERR: videbo sanguinem, & transibo vos, in Ansehnung des unschuldigen Bluts und der unendlichen Verdiensten meines Sohns will ich euch vorbey gehen / wann ich die Sünder straffen werde / da will ich euch verschonen: dann Christus pacificans per sanguinem crucis, sive quæ in terris, sive quæ in Cœlis sunt,71 der durch das Blut seines Creutzes alles zufriden stellt / was auf der Erden oder im Himmel ist. Das Blut Christi rufft und redet besser und bessere Wort / als das Blut Abelis, sagt der hochgelehrte Cornelius à Lapide, dann jenes schreyet zu GOTT um Rach / dieses aber haltet unabläßlich an bey dem himmlischen Vatter um Barmhertzigkeit /Gnad und Nachlassung der Sünden.72

Aber nicht nur ein Schatz und Balsam / sondern auch ein Gesund-Bad der Seelen ist das HH Seiten-Blut Christi.73 Dann nach Zeugnuß des Apostels: omnia pené secundum legem in sanguine mundantur, & sine sanguinis effusione non fit remissio:74 fast alles wird mit Blut gereiniget nach dem Gesatz / und ohne Blutvergiessen geschieht keine Vergebung. Wann aber das Blut der Böck und Ochsen die Unreine heiliget zu der leiblichen Reinigkeit /wie vilmehr wird das Blut Christi unsere Gewissen reinigen von den todten Wercken / zu dienen dem lebendigen GOtt? Christus JEsus / sagt der H. Joannes / hat uns geliebt und gewaschen [262] in seinem Blut / nemlich durch seine unendliche Verdienst / mit welchen er für unsere Sünden genug thut.75 Auf dises Blut-Bad scheinet uns vorhinein den Finger-Zeig gegeben zu haben der Prophet Isaias / nemlichen unsere Seelen darinnen zu waschen / und von denen Macklen der Sünden zu reinigen / da er uns zuruffet: Lavamini mundi estote etc.76 Waschet euch / reiniget euch etc.

Ein gottloses Blut-Bad / wie oben gemeldet worden / haben die aberglaubige Heyden dem Kayser Constantino, ehe daß er ein Christ worden / eingerathen /nemlich von dem Blut lauter unschuldiger Kinder: vorgebend / daß er dardurch / von dem Aussatz / mit deme er behafftet war / wurde gereiniget werden. Aber ein vil gesünder- und kräfftigeres Bad für den so höchst schädlich- als schändlichen Aussatz der Sünden / wird uns angewiesen in dem Blut des unschuldigen Lamms: wie dann auch Christus selber sein Leyden und Blutvergiessen einen Tauff nennet. In diesem Blut-Bad haben sich gewaschen all die jenige / welche der H. Evangelist Joannes in seiner heimlichen Offenbahrung gesehen hat vor dem Thron GOttes stehen in grosser Glori und Herrlichkeit / mit schneeweissen Kleideren angethan / und Palm-Zweig in ihren Händen: und als die Frag ergangen: wer diese seyen /und woher sie kommen? da ist die Antwort: Hi sunt, qui venerunt de magna tribulatione, & laverunt stolas suas, & dealbaverunt eas in sanguine Agni:77 Diese seynd die / so kommen aus grosser Trüb saal / und haben gewaschen ihre Kleider / und weiß gemacht in dem Blut des Lamms.

Unter vil anderen Gaben der so gütigen und freygebigen Natur / seynd nicht die wenigiste so vil heilsame Wässer und Gesund-Bäder / die man hin und wieder antrifft / deren eine warm / die andere kalt / wiederum andere mittelmäßig / aus ihren verborgenen Quellen / als aus der Schoos unserer allgemeinen Mutter / das ist / der Erden / uns zum Besten herfür fliessen / deren eine für diese / andere für andere Zuständ / Kranckheiten und Gepresten gut und verhülfflich seynd: also / daß zum öffteren auch grosse Fürsten und Herren von fern mit grosser Mühe und Kösten zu lieb reisen / um von ihren beschwerlichen Zuständen / Affect- und Anligen befreyet zu werden / offt mit gutem / offt auch ohne erwünschten Effect und Erfolg: Aber was sollen alle / auch kräfftig- und berühmtiste Heil-Wässer und Gesund-Bäder seyn gegen dem alleredlisten / fürtrefflich- und köstlichisten Blut-Bad / welches uns zum Besten der Sohn GOttes durch die Lantzen des Longini aus seiner heiligisten Seiten /ja aus seinem vergötterten Hertzen hat fliessen gemacht? Dieses ist ein allgemeines und unfehlbares Hülffs-Mittel für alle Wunden / Kranckheit- und Anligen der Seelen. Es erwärmet und kühlet ab zugleich: es erwärmet die in der Liebe GOttes und des Nächsten gantz lau- und erkaltete Hertzen und Gemüther /es kühlet ab die Hitz der fleischlichen Begierd- und Anmuthungen / es stärcket die Schwache in der Tugend / es richtet auf die / so krumm und lahm seynd in Ubung der guten Wercken / es erleuchtet die Blinde /so nicht sehen / was zu thun oder zu lassen ist etc. Man kan sich da bey diesem heilsamen und heilwerthen Blut-Bad des erwünschten Effects / der guten Würckung versicheren / man darff auch ihme zu lieb nicht weit reisen / und keine Kösten machen / sondern es stehet allen zu jeder Zeit und überall offen / wer nur immer dasselbige will brauchen / und durch die Buß und Besserung des Lebens / durch die Liebe und das Vertrauen ihme selber zu Nutzen machen.

Ein Figur dieses höchst-schätzbaren Blut-Bads ist gewesen jene berühmte Piscina probatica, das Schwemm-Teich vor dem Tempel zu[263] Jerusalem / in welchem alle Kranckheiten geheilt wurden / doch nur zu gewisser Zeit (wann nemlich der Engel vom Himmel kam / und das Wasser bewegte) auch nur bey einem Menschen / der alsdann der erste in selbes Wasser kam. Piscina est Passio Christi, quinque porticus, quinque vulnera ejus, sagt der Heil. Antonius von Padua: das Schwemm-Teich seye das bittere Leyden und Sterben Christi. Die 5. Schwibbögen aber die HH. fünff Wunden / aus welchen das so edle Heil-Bad des Bluts geflossen ist / mit so vil mehr Krafft und Fürtrefflichkeit / daß es nicht nur zu Zeiten einen Krancken / wie jenes Schwemm-Teich / sondern alle und allezeit an der Seel Krancke zu heilen vermag.

Fußnoten

1 Das Ampt und die Beschaffenheit des Halß und der Gurgel.


2 Rom. c. 12. v. 15.


3 Fraß und Füllerey wird durch die Gurgel angedeutet.


4 Psal. 5. v. 11.


5 Ad Philip. c. 3. v. 19.


6 Vilfältiger Schaden der Schlemmerey.

1. Cor. c. 3.


7 Berühmt- oder verschreyte Fresser und Saufer.


8 Gen. c. 25. v. 34.


9 Alex. ab Alex. lib. 5. c. 21.


10 Flavius Vopisius.


11 Theat. vit. hum. à fol. 492.


12 Der Fraß und Füllerey wird hefftig gescholten und gestrafft.


13 Serm. de jejunio.


14 S. Greg. lib. 30. moral.


15 Des Magens sein Ampt und Beschaffenheit.


16 Wie man das Wort GOttes auf- und annemmen solle / daß es fruchte.


17 Luc. 10. v. 16.


18 Joan. c. 15. v. 7.


19 Der Magen wird mit einer gemeinen Cassa oder Rent-Kammer verglichen.


20 Fabula.


21 Der Bauch bedeutet die Unmäßig- oder Unlauterkeit.


22 Eccli. c. 23 v. 6.


23 Prov. c. 13 v. 25.


24 Job. c. 20 v. 15.


25 Psal 21 v. 10.


26 Des menschlichen Fleisches armseelige Beschaffenheit.


27 Ad Coloss. c. 5. v. 17.


28 Ad Rom. c. 8. v. 2.


29 Das Fleisch ist gleich einem muthig- und stättigen Pferdt.


30 Jerem. c. 2. v. 30.


31 Ibidem c. 5. v. 3.


32 Das Fleisch muß nothwendig wie ein Pferdt im Zaum gehalten und gebändiget werden.


33 Eccli. c. 33. v. 25.


34 Ein geistliche Reut-Schul.


35 1. Cor. c. 9.


36 Eccli. c. 18. v. 30.


37 lib. 13. de anima.


38 Eine fleischliche Lieb / welche zulässig und löblich ist.


39 Joan. c. 1. v. 14.


40 Ad Ephes. c. 5. v. 30.


41 Psal. 44. v. 3.


42 Sap. c. 8. v. 16.

Prov. c. 8. v. 30.


43 Menschen-Fleisch essen ob es giltig seye.


44 Joan. c. 6. v. 56. &. 57.


45 Beschaffenheit des Bluts.


46 Die Gnad GOttes wird durch das Blut beditten.

Lev. c. 17. v. 25.


47 Ezech. c. 18. v. 25.


48 Zeitliche Güter und Reichthumen werden mit dem Blut verglichen.


49 Eccli. c. 10. v. 19.


50 Die reiche Geitzhälß seynd gleich denen Blut-Eglen.


51 Geschicht.


52 Grausame Blut-Bäder den Durst der Tyrannen zu löschen.


53 Flav. Jof. de bello Judaico lib. 7. c. 16.


54 Tacitus lib. 15.


55 Fulgos. lib. 1. c. 12. & Paulus Diacon.


56 Theat. vitæ humanæ.


57 Laut-aufschreyendes Blut.


58 Gen. c. 4. v. 10.


59 Apoc. c. 6. v. 10.


60 Brev. Rom. 28. Sept.


61 Geschicht.


62 Beyerlinck in theat. vitæ humanæ.


63 Ein Ampel von Blut.


64 Historischer Bericht / wie der Particul des Heil. Seiten-Bluts Christi in das Gottshauß Weingarten gekommen seye.


65 Verehrung des HH. Seiten-Bluts Christi in dem Closter Weingarten.


66 Das HH. Seiten-Blut Christi ist ein kostbarer Schatz.

1. Petri. c. 1.


67 Ephes. c. 1. v. 7.


68 Ein köstlicher Balsam.


69 in Psal. 48. serm. 4. de Nat. Dom.


70 Exodi c. 12. v. 13.


71 Coloss. c. 1. v. 20.


72 Cornel. à Lap. in cap. 12. v. 22. ad Hebr.


73 Ein heilsames Bad der Seelen.


74 Hebr. c. 9. v. 22.


75 Apoc. c. 1. v. 5.


76 Isaiæ c. 1. v. 16.


77 Apoc. c. 7. v. 13. & 14.


Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Zwei Schwestern

Zwei Schwestern

Camilla und Maria, zwei Schwestern, die unteschiedlicher kaum sein könnten; eine begnadete Violinistin und eine hemdsärmelige Gärtnerin. Als Alfred sich in Maria verliebt, weist diese ihn ab weil sie weiß, dass Camilla ihn liebt. Die Kunst und das bürgerliche Leben. Ein Gegensatz, der Stifter zeit seines Schaffens begleitet, künstlerisch wie lebensweltlich, und in dieser Allegorie erneuten Ausdruck findet.

114 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon