Mein Schiffsjungentagebuch

[39] Es stand lange bei mir fest: Ich wollte Seemann werden. Mein Vater sträubte sich keinesweg dagegen, sondern holte nur den Rat kluger und sachverständiger Leute ein, ließ mich aber selbst entscheiden. Alle Befragten rieten mir dringend ab, sogar und besonders der Kapitän Onkel Martin. Aber was besagte das einem beseelten Kinderwillen gegenüber.

Zu dem erfahrenen Weltreisenden Baron Schrenk schickte mich mein verschämter Vater nur, um mich über Sexualgefahren unterrichten zu lassen, worüber Vater nicht zu sprechen wagte. Auch ich nahm Schrenks Ermahnungen überschüchtern entgegen. – Vaters Zeit, meine Jugend.

Und ich ging zur See.

Während meiner ersten Reise als Schiffsjunge habe ich täglich Tagebuch geführt. Das Aufgeschriebene veröffentlichte ich später (1911) als Buch in einem Münchner Verlag. Der Verlag ist längst erloschen, das Buch nicht mehr im Handel. Deshalb schreibe ich es nachfolgend ab, wobei ich den Stil meiner Schriftstellerei von 1911 absichtlich beibehalten habe. Dagegen habe ich einiges fortgelassen und einiges hinzugefügt. Nur weniges änderte ich im Ausdruck. Es bleibt mein Tagebuch von 1911, gewidmet »Dem Kapitän Martin Engelhart«.


Quelle:
Joachim Ringelnatz: Das Gesamtwerk in sieben Bänden. Band 6: Mein Leben bis zum Kriege, Zürich 1994, S. 39-40.
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