Die gesponß Jesu klaget jhren hertzenbrand

[7] 1.

Gleich früh wan sich entzündet

Der silber weiße tag;

Vnd vns die Sonn verkündet/

Waß nachts verborgen lag:

Die lieb in meinem hertzen

Ein flämlein stecket an;

Daß brint gleich einer kertzen/

So niemand leschen kan.
[7]

2.

Wan schon Ichs schlag in Winde/

Gen Ost- vnd Norden brauß;

Doch ruh/ noch rast ich finde/

Last nie sich blasen auß.

O wee der qual/ vnd peine!

Wo soll mich wenden hin?

Den gantzen tag ich weine/

Weil stäts in schmertzen bin.


3.

Wann wider dann entflogen

Der Tag zur Nacht hinein/

Vnd sich gar tieff gebogen

Die Sonn/ vnd Sonnenschein;

Daß Flämlein so mich queelet

Noch bleibt in voller glut;

All stundt/ so viel man zehlet/

Michs je noch brennen thut.


4.

Daß Flämlein daß ich meine/

Ist JESV süsser nam;

Eß zehret Marck vnd Beine/

Frißt ein gar wundersam.

O süssigkeit in schmertzen!

O schmertz in süssigkeit!

Ach bleibe doch im Hertzen/

Bleib doch in Ewigkeit.
[8]

5.

Ob schon in pein/ vnd qualen

Mein Leben schwindet hinn/

Wan JEsu Pfeil vnd Stralen

Durchstreichet Muth vnd Sinn;

Doch nie so gar mich zehret

Die Liebe JESV mein/

Alß gleich sie wider nehret/

Vnd schenckt auch frewden ein.

6.

O Flämlein süß ohn massen!

O bitter auch ohn ziel!

Du machest mich verlassen

All ander Frewd/ vnd Spiel;

Du zündest mein gemüthe/

Bringst mir groß Hertzen leidt/

Du kühlest mein Geblüthe/

Bringst auch ergetzligkeit.


7.

Ade zu tausent Jahren/

O Welt zu guter nacht:

Ade laß mich nun fahren/

Ich längst hab dich veracht.

In JESV lieb Ich lebe/

Sag dir von Hertzen grund:

In lauter Frewd Ich schwebe/

Wie sehr ich bin verwund.

Quelle:
Friedrich Spee: Trutznachtigall, Halle a.d.S. 1936, S. 7-9.
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