Attrappe

[344] Attrappe (eigentlich »Fallstrick«, »Täuschung«), in der Papierwarenfabrikation Bezeichnung für Hohlkörper aus Papier, Pappe oder Stoff, denen durch geschickte Formengebung und Bemalung das Ansehen von wirklichen Gegenständen aller Art, Früchten, Tier- und Menschenkörpern, Architekturteilen, Bildsäulen u.s.w. gegeben wird.

Für a) Geschenkartikel (Oster- und Neujahrsattrappen), b) Ball- und Scherzartikel, c) karnevalistische Zwecke, d) Bühnenausstattung, e) Lehrmodelle wird die Attrappe in ausgedehnter Weise in großer Mannigfaltigkeit fabriziert [1]. Die erste der fünf oben angeführten Gruppen dient vorzugsweise der Genußmittelindustrie zur Verpackung und Aufmachung feinerer Konfitüren. Die zweite fertigt Kotillon- und Scherzartikel für festliche Veranstaltungen, die dritte umfaßt die Herstellung der Gesichtsmasken und sonstigen scherzhaften Nachbildungen aller Art zu vorübergehendem Gebrauch, während die vierte und fünfte auf größere Haltbarkeit ihrer Erzeugnisse Rücksicht nehmen muß, daher vielfach zu festerem Material, Holz, Webstoff, Metall u.s.w. greift. Tierkörper, Rüstungstücke, Felsen und Architekturteile zu Versatzstücken sowie zur Verwendung bei Festzügen, Ausheilungen und zu Dekorationszwecken fallen unter diesen Begriff; auch zu Lehrzwecken für Museen und Schulen werden allerlei Nachbildungen hergestellt. Die Attrappe wird vorzugsweise da angewandt, wo es auf große Leichtigkeit, wenig umständliche Herstellungsweise und mäßige Kosten ankommt. Das Material ist daher vorzugsweise Papier, sowohl als Halbfabrikat (Holzschliff, Zellstoff, Papierbrei), als auch in Bogenform in übereinander geklebten Lagen und zerkleinert, mit Leim, Holzasche, Ton, Kreide vermischt als Papiermaché und Steinpappe. Es lassen sich vier Arbeitsmethoden unterscheiden: 1. Der dickflüssige Papierbrei wird in die ein- oder zweiteilige vertiefte Form gebracht und unter Anfügung eines Gazestückes eingedrückt, so daß eine gleichmäßig dünne Schicht sich dieser Form anschmiegt. Nach dem Trocknen, das durch Erwärmen der Form beschleunigt wird, werden die beiden Hälften vereinigt und die Fugen verstrichen. 2. Bei kleineren, flachen Gegenständen erfolgt die Formengebung durch Pressen zwischen Patrize und Matrize, die ebenfalls erwärmt werden. Die Teile werden später verklebt oder durch Stoffscharniere aufklappbar verbunden. 3. Wenn bei 1. und 2. die Form das vertiefte Abbild des Gegenstandes enthielt, ist zu 3. ein Klotz oder sonstige plastische Verkörperung, mindestens der Grundform, nötig. Ueber diesen Klotz wird durch Ueberkleben von zweckmäßig geschnittenen Streifen zähen, weichen Papiers mittels Kleisters eine Papierschicht gebildet, die alle Formen genau wiedergibt. Nach dem Trocknen trennt man durch geschickt verteilte Schnitte diese Schicht, nimmt den Klotz heraus und vereinigt die Teile wieder durch Verkleben. Auf diese Weise kann man alles mögliche »attrappieren«, sofern ein als Klotz verwendbares Original zur Verfügung fleht, z.B. von Bildhauerwerken völlig entsprechende, nur wenig vergrößerte Kopien herstellen. Die vierte Methode dient zur Herstellung von Dingen, bei denen die direkte Abnahme der Form nicht angängig ist und die Beschaffung eines Klotzes sich nicht lohnen würde. Hier muß die Grundform aus Latten, Reisen, Draht und Pappenstücken zusammengestellt und mit Papier und Stoff bekleidet werden [2].


Literatur: [1] Adam, Lehrbuch der Buchbinderei, S. 824. – [2] Illustr. Zeitschrift für Buchbinderei 1889, Bd. 2, S. 87.

Herm. Saalfeld.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 344.
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