Culmanns Verfahren

[483] Culmanns Verfahren zur graphischen Berechnung der Stabkräfte von ebenen Fachwerken, auch »Schnittverfahren« genannt, besteht darin, daß man durch das Fachwerk einen Schnitt gelegt denkt, der drei Stäbe trifft, hierauf die außerhalb dieses Schnittes angreifenden Kräfte zusammensetzt und deren Mittelkraft nach den Richtungen der drei geschnittenen Stäbe auf zeichnerischem Wege zerlegt (vgl. Zerlegung von Kräften).

Man bringt zunächst die Mittelkraft R der äußeren Kräfte mit einer der drei Stabrichtungen, beispielsweise mit U, zum Schnitt, verbindet den Schnittpunkt E mit dem Schnittpunkt D von O und S, zerlegt R im Punkte E in die Kräfte U und R' und hierauf R' im Punkte D in die Kräfte O und S. Aus der Richtung der Pfeile läßt sich erkennen, ob die Stäbe auf Zug oder Druck in Anspruch genommen werden.

Zu denselben Ergebnissen gelangt man, wenn man R mit O oder mit S zum Schnitt bringt und die Zerlegung in diesen Schnittpunkten beginnt. Meistens wird bei der Anwendung des Culmannschen Verfahrens bloß nach einer der drei Kräfte gefragt; in diesem Falle wählt man den Punkt, in dem die gesuchte Kraft die gegebene schneidet, als Ausgangspunkt und kommt dann mit einer einzigen Zerlegung aus.

Das Culmannsche Verfahren leistet bei der graphischen Berechnung der Fachwerke (s.d.) besonders dann gute Dienste, wenn die ungünstigste Belastung von Stab zu Stab wechselt, also vor allem bei der Berechnung der größten und kleinsten Strebenkräfte.[483]


Literatur: Culmann, Graphische Statik, 2. Aufl., Nr. 56, Zürich 1875; Ritter, Anwendungen der graphischen Statik, II. Teil, Nr. 4, Zürich 1890; zahlreiche andre Werke über graphische Statik.

(W. Ritter) Roth.

Culmanns Verfahren
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 2 Stuttgart, Leipzig 1905., S. 483-484.
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