Fettspaltung [2]

[194] Fettspaltung, Verfahren der Trennung der an Glyzerin gebundenen Fettsäuren in allen Fetten und Oelen, wohl zu unterscheiden von der Verseifung, bei der die Fettsäuren an Alkali gebunden werden, während Glyzerin in der Unterlauge verbleibt und wie bei der Fettspaltung weiterer Verwendung zugeführt wird. Der Hauptwert der Fettspaltung besteht darin, daß solche in großen Betrieben rationell durchgeführt, Glyzerin in guter Beschaffenheit gewonnen werden kann und die erhaltenen Fettsäuren für die Verarbeitung auf Seife nicht mehr kostspielige ätzende Alkalien erfordern, sondern nur kohlensaure derartige Verbindungen.

Angesichts der hohen Bedeutung des Glyzerins für Sprengmittel wird von der eigentlichen Verseifung immer mehr abgegangen und die Fettspaltung bevorzugt. Die Spaltung der Fette erfolgt auf verschiedenen Wegen, von denen nachfolgende genannt werden: Krebitz-Verfahren, die Verseifung mit Aetzkalk, wobei die gebildete Kalkseife mittels Schwefelsäure zerlegt wird, zurzeit nur mehr geschichtliches Interesse bietend, aber in dem von Krebitz erdachten Arbeitsgange wieder belebt. Es wird zunächst eine Kalkseife hergestellt, mittels Eintragen in kochende Lösung von Soda und Pottasche aber unter Abscheidung von kohlensaurem Kalk die freien Fettsäuren abgetrennt. Botaro benutzt zur Trennung der Kalkseife gasförmige schweflige Säure. Schwefelsäurespaltung: Eine verhältnismäßig geringe Menge derselben vermag theoretisch sehr große Fettmengen zu zerlegen; allerdings verläuft der Vorgang nicht vollständig glatt, sondern es ist damit stets die Zerstörung einer größeren oder geringeren Fettmenge verbunden. Zurzeit verringerte man die ursprünglich bis zu 37% betragende Menge der Säure bedeutend, erhöhte aber die Temperatur auf 100–120° C; aus diesem Verfahren ging dann das Twitschel-Verfahren hervor. Hierbei wird eine Verbindung von Sulfosäure mit Naphthalin verwendet; das Fett wird in einem mit Rührgebläse und Dampfschlange versehenen Holzbottich (Pitchpine) auf rund 50° C erhitzt und unter starkem Rühren mit 1,5% Schwefelsäure von 60° Bé versetzt. Die Schwefelsäure zerstört Eiweiß- und Schleimstoffe, bereitet für die Spaltung vor, doch darf eine stärkere Säure nicht gebraucht werden, da sonst die Fette angegriffen und braun gefärbt werden. Die verdünnte Säure wird dann abgezogen, das Fett in den Spaltbottich aus Holz gebracht, mit etwa 0,33% der Verbindung von Sulfoölsäure und Naphthalin versetzt, 50% Wasser zugesetzt und durch Einleiten von Dampf gekocht. Nach 24 stündigem Kochen sind in der Regel 85% des Fettes gespalten, dann wird das erste Wasser abgelassen, durch frisches Wasser ersetzt, unter Zusatz von etwas Schwefelsäure weitergekocht, bis nach weiteren 24 Stunden im ganzen 92–95% des Fettes gespalten sind. Die freie Schwefelsäure wird mittels kohlensaurem Baryum abgestumpft, nach dem Absetzen die Fettsäure und das Glyzerinwasser getrennt abgezogen. Dieses Verfahren, das wohlfeil und einfach ist, hat sich, obwohl die Fettsäuren dunkler gefärbt sind, rasch Eingang in die Praxis verschafft; das Krebitz-Verfahren liefert sehr helle Seifen, aber auch die Dunkelfärbung beim Twitschel-Verfahren ist durch ein anderes Spaltmittel von Konnstein und Schönthan, als »Pfeilringspalter« bezeichnet,[194] behoben worden. Beim Autoklavenverfahren erfolgt die Zerlegung der Fette durch Erhitzen mit Wasserdampf unter Druck bei 220° C unter Beigabe geringer Mengen Kalk oder besonders Magnesia (Magnesiaspaltung) in besonderen geschlossenen Apparaten, 12 bis 15 Atm. aushaltenden Kesseln. Schon nach 1 Stunde sind etwa 33% des Fettes gespalten, dann vollzieht sich die Reaktion langsamer, und um nicht über Gebühr erhitzen zu müssen, spaltet man den Rest der Neutralfette noch im Azidifikator mit Schwefelsäure. Das Verfahren wird in verschiedener Weise durchgeführt, Schleim, Eiweiß und Pektinstoffe werden mit 0,66% Zinkweiß und 0,33% Zinkstaub und Wasser durch 8 Stunden bei Druck von 6 bis 6,5 Atm. behandelt, und man erhält etwa 96% Fettsäure, worauf Glyzerinwasser getrennt, der verbleibende Rest mit Schwefelsäure zwecks Zerlegung der Zinkseife in besonderem Gefäß nachbehandelt wird. Die Spaltung mittels Enzymen, besonders im Rizinussamen enthaltene, die unverändert bleiben und theoretisch ganz geringe Mengen nur erfordert, wird derart durchgeführt, daß man das Fett in einem unten konischen Kessel, mit Dampfheizschlange versehen, bei nicht zu hoher Temperatur schmilzt, etwa auf 30° C dauernd erhält, mit der Hälfte seines Gewichtes Wasser vermischt und einige Prozente Rizinussamenextrakt hinzufügt. Die Emulsionsbildung ist nach etwa 6–8 Stunden vollzogen, wobei allerdings meist nur 80–86% des Fettes zerlegt werden. Zugabe von schwefelsaurem Mangan beschleunigt den Verlauf der Spaltung. Endlich erhitzt man auf 100° C, um das Enzym zu zerstören, überläßt der Ruhe und trennt dann die drei entstandenen Schichten, deren oberste reine Fettsäure, die mittlere Fettsäure und Ferment, die unterste Glyzerinwasser darstellt. Nach Untersuchungen von Braun und Behrend läßt sich mit ausgezeichnetem Erfolg zur fermentativen Fettspaltung das Abrin in den Samen von Abrus precatorius verwenden, jedoch nicht in gereinigtem Zustande, so daß vielleicht noch unbekannte Bestandteile des Abrussamens die eigentlich fettspaltenden Fermente sind.

Andés.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1920., S. 194-195.
Lizenz:
Faksimiles:
194 | 195
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika

Lueger-1904: Fettspaltung [1]