Kreideformation

[684] Kreideformation oder Kreide, auch kretazische Formation, bildet in der Geologie den Schluß der mesozoischen Erdschichten, überlagert die Juraschichten und wird von denen der Tertiärformation bedeckt.

Die außerhalb der Alpen in Nord- und Mitteleuropa meist flach gelagerten und wenig gestörten Schichten bestehen vorwiegend aus mergeligen, kalkigen und tonigen, auch sandigen und konglomeratischen Schichten, die alle zum weitaus größten Teil als Meeresabsätze, zum geringeren Teil als Brack- und Süßwasserablagerungen (Wealden) zustande kamen. Eruptive Vorgänge treten sehr zurück; in dieser Beziehung entspricht die Kreideformation einer Zeit der Ruhe. Dagegen haben weitgreifende Aenderungen in der Verteilung von Land und Wasser während der Kreidezeit stattgefunden, insbesondere starke Vergrößerung der Meeresbedeckung auf Kosten des Festlandes (Senkung desselben), so zu Anfang der Formation und in der Mitte (Uebergreifen [Transgression] des Wealden, des Cenomans). Wahrscheinlich sind in den Alpen und ihnen angereihten Faltengebirgen während der Kreide Hebungen und Rückzüge der See vor sich gegangen. Die Lebewesen dieser Formation zeigen unter den Meeresbewohnern eine abnehmende Entwicklung der Kopffüßer (Kephalopoden), insbesondere der Ammoniten und Belemniten, ein Aufsteigen mancher Zweischaler (Austern, Inokeramen, Rudisten) und Schnecken, einen Rückgang der Armfüßermuscheln (Brachiopoden); besonders artenreich sind ferner die Seeigel und Korallen. Unter den Landbewohnern zeichnen sich einzelne Riesensaurier und Riesenvögel aus. Im allgemeinen ist von ihnen beim Mangel an rein terrestrischen und Süßwasserbildungen nicht viel erhalten geblieben, ebensowenig von der Pflanzenwelt. Der Reichtum der Kreideschichten an Versteinerungen gestattete ihre eingehende Gliederung. Man unterscheidet:

A. Untere Kreideformation (subkretazische Formation).

1. Neokom, meist meerische Sandsteine, Mergel und Tone, stellenweise mit oolithischen Roteisenerzen (Salzgitter). Hierher gehört das Wealden oder die Deisterbildung in England und Nordwestdeutschland, eine Folge von Konglomeraten, Sandsteinen und bituminösen Tonen. Die hellgefärbten festen Sandsteine des Deisters (Obernkirchen bei Bückeburg) bilden ein weitverbreitetes Werk- und Hausteinmaterial für Hochbau und führen einige wertvolle, wenn auch wenig mächtige Steinkohlenflöze.

2. Galt oder Gault, sandige, tonige und mergelige Tiefseeablagerungen, zum Teil mit Phosphoritknollen.

B. Obere Kreideformation.

3. Cenoman, unterer Pläner. Als Pläner werden weiße, hellgraue bis hellgrüngraue, dünnschichtige, zum Teil sehr sandige Kalke und Mergel bezeichnet (in Hannover, Teutoburger Wald, Schießen). Außerdem besteht die Schichtenreihe noch aus Sandsteinen (Quadersandstein) und Konglomeraten.

4. Turon, oberer Pläner, außer eigentlichen Plänermergeln noch helle Sandsteine von fester Beschaffenheit und in dicken Bänken führend, den sogenannten Quader- oder Elbsandstein (Pirna in Sachsen, Heuscheuer und Löwenberg in Schießen). Hierher gehören auch die Tone von Bunzlau in Schießen, die zur Töpferei dienen und einige wenig mächtige Kohlenflöze führen. Ein wichtiges Schichtenglied, zumeist des Turons, aber auch des Cenomans, bildet an der Ostseeküste (Rügen, Mecklenburg, Pommern) die eigentliche weiße Schreibkreide, ein aus zahllosen kleinen Schälchen niederer Tiere (Bryozoen, Korallen, Foraminiferen u.s.w.) bestehender kalkiger Tiefseeschlamm, der zur Gewinnung von Schreib- und Schlemmkreide ausgebeutet wird. Andre technisch verwendete Kalke des Turons sind der dichte, dickbankige, rötlich gefärbte Untersberger Marmor in den Nordalpen, ferner manche Marmore Griechenlands.

5. Senon, meist Mergel, Sandstein und Kalke. Unter den Mergeln nimmt der bis 500 m mächtige sogenannte Emscher Mergel in Nordwestdeutschland als blaugraue, glaukonitführende, kalkigtonige Ablagerung eine besondere Stellung ein. In das Senon gehören die weitverbreiteten Feuersteinknollen Norddeutschlands. Von großer technischer Bedeutung sind die weißen,[684] dichten bis zelligen Faxekalken Dänemarks und die Vorkommen von Strontianit im Senon der Lippegegend (Hamm).


Literatur: Credner, H., Elemente der Geologie, 9. Aufl., Leipzig 1903; Kayser, E., Lehrbuch der geologischen Formationskunde, 2. Aufl., Stuttgart 1902.

Leppla.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 5 Stuttgart, Leipzig 1907., S. 684-685.
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