Kunstharze [1]

[465] Kunstharze. Mit dem fortwährend sich steigernden Verbrauch der Anstrichmittel, insbesondere der Lacke und Firnisse, kann die Gewinnung und Verarbeitung der natürlichen Rohstoffe (ohne bedeutende Preiserhöhung) nicht Schritt halten, und es hat sich daher die Notwendigkeit herausgestellt, Ersatzmittel ausfindig zu machen, die in ihren Eigenschaften den Naturharzen nahestehen und sich in der Verwendbarkeit mit diesen teilen, ohne deren hohe Preise zu bedingen.

Diese Ersatzstoffe sind die sogenannten Kunstharze, die, auf verschiedene Weise dargestellt, auch den verschiedenen Zwecken, denen sie dienen sollen, angepaßt werden können. Besonders wichtig sind die Ersatzmittel für natürliche Hartharze und für Schellack. Nach einer Zusammenstellung von M. Bottler [2] lassen sich die Kunstharze nach den Materialien, die zu ihrer Erzeugung dienen, in sechs Gruppen ordnen:

1. Gehärtete Harze, kurzweg »Hartharze« und fälschlich »Euer« genannt, welche hergestellt werden: a) aus Harzen (besonders Kolophonium) und anorganischen Verbindungen, wie Oxyden des Calciums, Magnesiums, Zinks, Mangans u.s.w., oder b) durch Behandlung des Kolophoniums (oder andrer Weichharze) in seiner Verteilung bei erhöhter Temperatur in geschmolzenem Zustande – meist unter Verwendung verschiedener Zusätze – mit Sauerstoff bezw. atmosphärischer Luft. Ersatzmittel für härtere Harze, in der Lackfabrikation zurzeit viel verwendet. Unlöslich in Alkohol, dagegen löslich in fetten und flüchtigen Oelen.

2. Harzsäureester, auch Lackester genannt, die gewöhnlich aus Kolophonium erzeugt werden und meistens Verbindungen sind, die durch Vereinigung von Säuren (Harzsäuren) mit Alkoholen unter Wasseraustritt entstehen. Die Harzsäuren lassen sich sowohl mit niedrigen wie höheren Alkoholen, ferner mit Kohlehydraten, Phenolen, Naphtholen und ähnlichen aromatischen hydroxylhaltigen Abkömmlingen unter Wasserabspaltung zu ätherischen Verbindungen oder echten Harzsäureestern kombinieren, und geschieht die Herstellung im allgemeinen 1. durch Destillation im Vakuum bei 300–350° und überhitztem Wasserdampf oder im Strome indifferenter Gase; 2. Extraktion der Gemische, der Harzsäuren und indifferenten Körper mit entsprechenden Lösungsmitteln. Die Endprodukte sind verschieden; teils harte, teils weichere Harze, denen die gemeinsame Eigenschaft zukommt, sich in wässerigen Sodalösungen (und auch zumeist in Alkohol) nicht mehr zu lösen. Sie haben in der Lackfabrikation ziemlichen Eingang gefunden.

3. Eigentliche Kunstharze (harzähnliche Kunstprodukte), die (ohne Verwendung von Kolophonium oder natürlichen Harzen) aus verschiedenen organischen Verbindungen durch Kondensation gewonnen werden und als Harz- bezw. Schellackersatzmittel Verwendung finden.

4. Harzige Produkte, die auf chemischem Wege hergestellt werden und nicht schmelzbar und auch nicht löslich sind.

5. Resinite, d. s. harzige, auf chemischem Wege erzeugte Produkte, die sich bezüglich ihrer Eigenschaften von allen Natur- und Kunstharzen unterscheiden.

6. Harzprodukte, die größtenteils als Ersatz für natürlichen Schellack (d.h. als Schellackersatzstoffe) dienen sollen und durch Zusammenschmelzen natürlicher Harze – mitunter unter chemischer Behandlung und Beimengung verschiedener Materialien – hergestellt werden.

Das Aussehen der Kunstharze ist sehr verschieden. Als Ersatzmittel der Hartharze bilden sie durchscheinende oder durchsichtige, hellgelbe oder braune kantige Bruchstücke, die je nach ihrer Verwendung – als Ersatz für ein bestimmtes Naturharz – als Kopal-, Dammar-, Schellackersatz u.s.w. bezeichnet werden. Uebrigens sind auch in diesem Industriezweig die Phantasienamen sehr im Gebrauch. Ausführliches darüber in [1], [2].


Literatur: [1] E. Schaal in Techn. Mitteilungen für Malerei 1907. – [2] Max Bottler, Ueberblick über den gegenwärtigen Stand der Industrie der Kunstharze, in der Zeitschrift »Kunststoffe«, München 1911, I, S. 3.

T.F. Hanausek.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 9 Stuttgart, Leipzig 1914., S. 465.
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Lueger-1904: Kunstharze [2]